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Professor Katzorke als Samenspender?

In der heutigen Ausgabe der Wochenzeitung „DIE ZEIT“ wird unter dem Titel „Tief in den Genen“ über einen neuen Skandal der Samenspende berichtet. Der Autor Hennig Sussebach schreibt über Christina Motejls Spendersuche, bei der sie herausgefunden hat, dass damals Professor Katzorke selbst der Samenspender gewesen sein soll.

Es erfordert viel Mut, mit der eigenen Geschichte – der Suche nach dem Spender, mit dessen Samen man gezeugt worden ist und mit dem Ergebnis der eigenen Recherche – an die Öffentlichkeit zu treten. Dieser Schritt Christina Motejls ist sehr beeindruckend. Es ist dann umso irritierender, wenn sich, wie Sussebach schreibt, herausstellt, dass die Wortführerin des „Spenderkinder“-Vereins ausgerechnet durch eine Samenspende des Wortführers der Samenbankbetreiber gezeugt worden ist.

In den letzten Jahrzehnten hat Professor Katzorke als Sprecher des Arbeitskreises Donogene Insemination das Reglement der Spendersamenbehandlung in Deutschland maßgeblich mitbestimmt. Sein Einsatz an vorderster Front der politischen Debatte, insbesondere seine kritischen Äußerungen zum Auskunftsbegehren der Kinder, dürften jetzt in einem ganz neuen Licht stehen. Denn wie interessegeleitet waren seine fachlichen Haltungen?

– Als Vorsitzende von DI-Netz e.V. hat Claudia Brügge vor einem Jahr eine fachliche Stellungnahme darüber geschrieben, was von den ungebetenen Samenspenden von Ärzten zu halten ist. Der Kommentar kann unter folgendem Link auf unserer Webseite nachgelesen werden: http://www.di-netz.de/3258-2/


Pressemitteilung zu den Kinderwunsch-Tagen 2018

Pressemitteilung der Deutschen Vereinigung von Familien nach Samenspende  DI-Netz e.V. – zu den „Kinderwunsch-Tagen“ am 17./18. Februar 2018 in Berlin

DI-Netz nutzt Kinderwunsch-Tage als Forum

Die Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende DI-Netz e.V. wird 2018 wieder mit eigenen Vorträgen und mit einem eigenen Informationsstand an den Kinderwunsch-Tagen in Berlin teilnehmen. DI-Netz unterstützt Menschen vor, während und nach einer Spendersamenbehandlung und begleitet vor allem viele Familien noch lange Jahre, wenn die Behandlungszeit längst vorbei ist. Unser Netzwerk nutzt die Kinderwunsch-Tage als Informationsbörse und als Forum, um unsere Unterstützungsangebote einem größeren Publikum vorzustellen. Wir werden den Besucherinnen und Besuchern gern davon erzählen, wie viel Freude wir mit unseren Familien haben, die ohne Samenspende nicht entstanden wären.

Gegen Spenderanonymität, Sperma-Shopping und aggressive Werbung

Dabei betonen wir, dass wir von der Spenderanonymität im Ausland und von Sperma-Shopping nichts halten. Anonyme Samenspende ist in Deutschland im Interesse der Kinder aus gutem Grund verboten, denn ihnen soll die Möglichkeit offen stehen, später mehr Informationen über den Spender erfahren zu können.

DI-Netz informiert die Messebesucher gern über die Stärken und Schwächen des neuen deutschen Samenspenderregistergesetzes, das am 1. Juli 2018 in Kraft treten wird und die Auskunftsrechte der Kinder absichert. Wir raten ausdrücklich davon ab, sich im Ausland mit anonymen Samenspenden behandeln zu lassen, um dadurch das neue deutsche Samenspenderregistergesetz zu umgehen. Eine ebenso schlechte Idee ist es, sich in Deutschland anonymen Samen aus dem Ausland direkt nach Hause zu bestellen (sog. home-insemination). Dies ist nicht im Interesse der so gezeugten Kinder. Selbst lesbische und alleinstehende Frauen müssen nicht darauf zurückgreifen, denn sie erhalten inzwischen auch in Deutschland eine Spendersamenbehandlung.

DI-Netz stimmt also nicht mit allen auf den Kinderwunsch-Tagen vertretenen Interessen überein. Und wir werden dies auch in diesem Jahr wieder vor Ort diskutieren, denn es ist wichtig, diese Debatten zu führen.

Im vergangenen Jahr haben wir es als abschreckend erlebt, wie offensiv manche ausländische Firmen umstrittene Methoden wie Leihmutterschaft und anonyme Gametenspende angepriesen haben. Wenn es ums Kinderkriegen geht, verbieten sich aus unserer Sicht überhöhte Erfolgsversprechen und aggressive Werbestrategien.

Leihmutterschaft und Eizellspende sind keine Vereinsthemen des DI-Netzes, denn DI-Netz ist seinem Zentralthema verpflichtet: der Familiengründung mit Samenspende und der gesellschaftlichen Akzeptanz von Familien, die auf diesem Weg entstehen. DI-Netz verfolgt keine Geschäftsinteressen –  uns geht es um Herzensangelegenheiten und nicht ums Geld.

Für eine sachgerechte Berichterstattung in den Medien

Abschreckend ist es auch, wenn sich mediale Berichterstattung skandalfreudig und empathielos über wichtige Themen der Kinderwunschtage hermacht. Die Wochenzeitung „DIE ZEIT“ kommentierte vor einem Jahr passend, dass das „aufgeklärte Deutschland“ allzu bereitwillig mit „Spott und Empörung“ auf die Kinderwunsch-Tage reagiert habe. Menschen, die problemlos Kinder bekommen können, können sich manchmal das ungeheure Leid von Menschen mit schweren Fruchtbarkeitsstörungen nicht vorstellen. Moralische Selbstüberhöhung ist unfair gegenüber denjenigen unter uns, die nicht so leicht Kinder bekommen können wie die Mehrheit der Gesellschaft. Es ist auch nicht fair, alle Methoden der Reproduktionsmedizin – sei es IVF, Samenspende, Eizellspende oder Leihmutterschaft – gleichzusetzen, um sie dann allesamt unterschiedslos zu verdammen. Es ist vor allem nicht im Sinne unserer Kinder, wenn fundamentalistische Gegner der Reproduktionsmedizin selbstgefällig einen ethisch höherwertigen Kinderschutz für sich reklamieren. Diese selbsternannten Fürsprecher der Kinderinteressen brauchen unsere Kinder nicht.

In diesem Sinne unterstützt DI-Netz eine sachgerechte Berichterstattung.

Ansprechpartnerin für Presseanfragen:

Dipl.-Psych. Claudia Brügge

Vorsitzende DI-Netz – Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende

claudia.bruegge[at]di-netz.de

Tel: 0521/9679103

Pressemitteilung zum Herunterladen: Pressemitteilung DI-Netz Kinderwunschtage 2018

LAST CALL: Tagung „Familiengründung mit Hilfe Dritter“ in Göttingen – jetzt anmelden!

Vom Freitag, den 3. November bis Samstag, den 4. November 2017 wird in Göttingen eine wichtige Tagung zu unserem Thema stattfinden –  eine Tagung, die auch für Eltern mit ihren Kindern und für Menschen mit Kinderwunsch sehr interessant ist:

„Familienbildung mit Hilfe Dritter“

Herausforderungen – Lösungsansätze – Familienrealitäten.

Es geht um alle Formen der assistierten Reproduktion – am zweiten Tag allerdings besonders um die Samenspende! Eltern und Kinder nach Samenspende sind genauso herzlich willkommen wie Teilnehmer und Teilnehmerinnen aus dem akademischen, reproduktionsmedizinischen oder juristischen Feld. Für Familien aus unserem Netzwerk ist Göttingen eine wunderbare Gelegenheit sich zu treffen und auszutauschen. Es gibt viele interessante Vorträge, einige davon auch von Mitgliedern und Ehrenmitgliedern unseres Vereins, wie z.B. von Andreas Hammel (Medizin), Petra Thorn (Beratung), Tobias Fischer (Ethik) und Helga Müller (Recht). Besonderes Highlight werden unsere Ehrenmitglieder Olivia Montuschi und Walter Merricks sein, die extra aus England anreisen. Olivia und Walter sind Mitbegründer des englischen Netzwerkes „Donor Conception Network“, unsere größte internationale Partnerorganisation mit heute etwa 2000 Mitgliedern. Beide kennen sehr viele Familien persönlich und werden aus ihrem reichen Erfahrungsschatz erzählen. Auch Sven ist Mitglied im DI-Netz – er wurde durch Samenspende gezeugt und ist heute längst erwachsen, auch er wird aus seiner Sicht berichten.

Interessierte mit geringen Englischkenntnissen sollten sich von den englischsprachigen Beiträgen nicht abschrecken lassen: Wir helfen uns gegenseitig mit unserem Englisch aus (genauso wie in bewährter Weise mit unserer Kinderbetreuung!)

Unmittelbar nach der Tagung wird übrigens noch unsere jährliche Mitgliederversammlung des Vereins stattfinden.

Veranstalter der Tagung sind die Medizinethikerinnen Dr. Katharina Beier und Prof. Dr. Claudia Wiesemann des Institutes „Ethik und Geschichte der Medizin“ der Universität Göttingen. Die Tagung wird außerdem durch unser DI-Netz und von BKiD mitorganisiert.

Veranstaltungsort: Tagungsgebäude „Alte Mensa“ in Göttingen.

Teilnahmegebühr: 70€.

Bei den Vorträgen sind nur Erwachsene zugelassen, für die Kinder steht auf demselben Flur ein gesonderter Raum zur Verfügung.

Vereinsmitglieder bitte beachten: Im Anschluss der Tagung findet die jährliche Mitgliederversammlung des DI-Netzes statt.

Unterkunft: Die meisten Familien aus dem DI-Netz werden vermutlich in der nahegelegenen Göttinger Jugendherberge unterkommen

 

Ablauf:

Freitag, 3. November, 2017

9:00 – 9:15: Begrüßung & Einführung/ Welcome & Introduction

2. INTERDISZIPLINÄRE ZUGÄNGE

MEDIZINISCHE PERSPEKTIVE

9:15 – 9:55: Dr. Andreas Hammel (Erlangen)

Methoden und Herausforderungen der assistierten Reproduktion

ETHISCHE PERSPEKTIVE

9:55 – 10:35: Prof. Dr. Claudia Wiesemann (Göttingen)

Konzepte von Elternschaft im Zeitalter assistierter Reproduktionstechniken/

Concepts of parenthood in the age of assisted reproduction

10:35 – 11:00: COFFEE BREAK

RECHTLICHE PERSPEKTIVE

11:00 – 11:40: Prof. Dr. Eva Schumann (Göttingen)

Rechtliche Herausforderungen bei Familienbildung mit Hilfe Dritter

PERSPEKTIVE DER PSYCHOSOZIALEN BERATUNG

11:40 – 12:20: Prof. Dr. Ruth Großmaß (Bielefeld)

Funktionen, Aufgaben und Grenzen psychosozialer Beratung

12:20 – 13:20: LUNCH

2. AKTUELLE ETHISCHE KONTROVERSEN

EMBRYONEN‐ UND EIZELLSPENDE

13:20 – 14:00: Prof. Dr. Felicitas Krämer (Potsdam)

Ethische Implikationen der Embryonenspende

14:00 – 14:40: Dr. Astrid Indekeu (Huddinge, Sweden)

Women’s experiences of pregnancy and birth after oocyte donation

14:40 – 15:00: COFFEE BREAK

SOLO‐MÜTTER

15:00 – 15:40: Dr. Sophie Zadeh (Cambridge, GB)

Solomotherhood via sperm donation – an empirical perspective from the UK

15:40 – 16:20: Dr. Daniela Cutas (Gothenburg, Sweden)/ Dr. Anna Smajdor (Oslo, Norway)

The ethics of solo reproduction

16:20 – 16:40: COFFEE BREAK

LEIHMUTTERSCHAFT

16:40 – 17:20: Dr. Katharina Beier (Göttingen)

Surrogate motherhood as collective reproduction: ethical challenges and practical implications

17:20 – 18:00: Sayani Mitra (Göttingen)

Failed surrogate conceptions: social and ethical aspects of preconception disruptions during surrogacy in India

 

Samstag, 4. November, 2017

Familienbildung durch Samenspende: Zwischen Normalität und Besonderheit

9:00 – 9:40: Claudia Brügge (Bielefeld)

Familien nach Samenspende: In der Normalität angekommen?

9:40 – 10:20: Dr. Tobias Fischer (Greifswald)

Aktuelle ethische Kontroversen zur Samenspende

10:20 – 10:50 COFFEE BREAK

10:50 – 11:50: Olivia Montuschi & Walter Merricks (London, GB)

Donor conception: family and network perspectives

11:50 – 12:30: Sven R. (Dresden) (moderiert als Live‐Interview: Dr. Petra Thorn)

Samenspende: Perspektiven und Erfahrungen von Kindern

12:30 – 13:30 LUNCH

13:30 – 14:10: Dr. Helga Müller (Frankfurt)

Bis vor Gericht: Auskunftsrechte zur Identität des Spenders

14:10 – 14:45: Dr. Petra Thorn (Mörfelden)

Thirdparty assisted reproduction in Germany – what will the future hold?

[15:00 – 16:30: Mitgliederversammlung des Vereins DI-Netz e.V. – members only]

Bundestagswahl 2017: Was wollen die Parteien?

Am 24. September ist wieder Wahl! Wir von DI-Netz verfolgen, ob und was die einzelnen Parteien hinsichtlich der weiteren gesetzlichen Regulierung der Reproduktionsmedizin, der Familiengründung mit Hilfe Dritter und der Spendersamenbehandlung im speziellen tun wollen.

Um darüber Genaueres zu erfahren, hat DI-Netz sogenannte Wahlprüfsteine vorbereit, wie schon bei der letzten Wahl 2013. Doch man kann sich auch etwas in den Wahlprogrammen umsehen (externer Link zu allen Programmen: https://bundestagswahl-2017.com/wahlprogramm/) .

Welche Ankündigungen finden wir in den Parteiprogrammen?

Die Parteien machen in ihren Wahlprogrammen verschiedene Aussagen zu ihrem Familienbild und zum Familien- und Abstammungsrecht, und sie werden unterschiedlich deutlich in ihren Aussagen zum speziellen Gebiet der modernen Reproduktionsmedizin.

Wir haben die Aussagen hier gesammelt:

CDU/CSU

Die Union skizziert in ihrem Wahlprogramm das eigene Familienbild. Ergänzend gibt es eine Aufzählung möglicher Modelle, wie Menschen miteinander leben. Konkrete eigene politische Maßnahmen werden (noch) nicht daraus abgeleitet:

„Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Menschen sollen selbst entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben gestalten und ihren Alltag organisieren. Verantwortung wird auch in anderen Formen des Zusammenlebens, die auf Dauer angelegt sind, übernommen und gelebt: Zum Beispiel durch Alleinerziehende, Patchwork- Familien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und die bestehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften.“

SPD

Im Wahlprogramm der SPD gibt es einen eigenen Absatz, der mit „Vielfältige Lebensrealitäten anerkennen“ überschrieben ist. Für die Rolle der eigenen Partei werden aktive Verben genutzt wie „wir unterstützen“, „wir setzen uns (…) ein“. Hinsichtlich des Abstammungsrechts wird angekündigt, dass man sich für „ein modernes Abstammungsrecht“ einsetzen will, das den „neuen Familienkonstellationen“ Rechnung trägt. Es werden (mehr als bei der CDU) zehn solcher Konstellationen aufgezählt. Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird benannt:

Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Das Verständnis von Familie in Deutschland wird breiter: Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein. Wir wollen ein modernes Familienrecht, das die Vielfalt von Familien widerspiegelt. Familien mit verheirateten, unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren; getrennt, gemeinsam oder allein Erziehende; Stieffamilien, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Pflegefamilien. Wir sorgen für Klarheit in all diesen Konstellationen, indem Rechte und Pflichten eindeutig definiert werden. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen. (…) Die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und der wissenschaftliche Fortschritt in der Reproduktionsmedizin führen dazu, dass die biologischen Eltern immer häufiger nicht die sozialen Eltern sind. Deshalb setzen wir uns für ein modernes Abstammungsrecht ein, das diesen neuen Konstellationen Rechnung trägt.“

Bündnis 90/ Die Grünen

Die Grünen benennen ebenfall die heutige Vielfältigkeit von Familien. Die Erläuterungen im Absatz zum Familienbild fallen länger aus, und es wird ein fehlender klarer rechtlicher Rahmen und Absicherung moniert. Das familienrechtliche Ziel der Grünen und das eigene Engagement werden explizit genannt: „Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln (…)“, „Wir unterstützen…“. Ein neu zu schaffendes Rechtsinstitut für soziale Elternschaft wird erwähnt – die „elterliche Mitverantwortung“.

„Familien sind inzwischen so vielfältig wie das Leben selbst: Es gibt verheiratete Paare mit Kindern, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, nichteheliche Familien oder Regenbogenfamilien. Wir Grünen machen eine Politik, die Familien in allen Formen und Modellen unterstützt. Deshalb sorgen wir dafür, dass die finanzielle Absicherung von Kindern und Familien nicht länger vom Lebensmodell der Eltern abhängt. Den sozialen Eltern, also Menschen, die wie in vielen Patchwork-Familien langfristig Verantwortung für ein Kind übernehmen, ohne dessen leibliche Eltern zu sein, fehlt ein rechtlicher Rahmen für ihre Familienform. Und das, obwohl sie feste Wegbegleiter*innen ihrer Kinder sind (…)

Für ein modernes Familienrecht – Alle Familienformen anerkennen und schützen

Familie ist da, wo Kinder sind. Über 30 Prozent aller Familien, in denen minderjährige Kinder leben, sind keine Ehen, sondern: nichteheliche Familien, Alleinerziehende mit Kind, Patchwork-Familien oder Regenbogenfamilien. Für viele dieser heute selbstverständlichen Familienkonstellationen gibt es keinen klaren Rahmen, der ihre Rechte benennt und ihre Familienform absichert. Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln und für diese Familien ein Angebot schaffen, das sie in ihrer Verantwortung als Eltern rechtlich stärkt (Rechtsinstitut der elterlichen Mitverantwortung). Damit wollen wir klar regeln, welche Rechte und Pflichten, beispielsweise in der Schule, beim Arztbesuch oder im Alltag, aber auch welche Verantwortung für das Kind die leiblichen und die nicht leiblichen, aber miterziehenden Eltern haben.

DIE LINKE

Die Vielfalt der Familien wird bei den Linken ebenfalls benannt. Sie fordern eine Gleichstellung und eine Anerkennung aller Familienformen, und sie wenden sich ausdrücklich gegen einen privilegierten Status der Ehe. Reproduktionsmedizin wird explizit erwähnt, denn sie soll auch gleichgeschlechtlichen Paaren zur Verfügung stehen. Auch Mehrelternkonstellationen von bis zu vier Personen sollen erlaubt sein.

„Wir wollen, dass vielfältige Lebensweisen rechtlich gleichgestellt werden und setzen uns für ihre gesellschaftliche Akzeptanz ein. Dazu gehört, die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu überwinden. Bisher sind Ehe und Lebenspartnerschaft in den Pflichten gleichgestellt (z.B. gegenseitige Unterhaltspflichten). Doch gleiche Rechte, wie z.B. ein gemeinsames Adoptionsrecht, haben sie nicht. Die Anerkennung aller Familienformen und Lebensentwürfe ist für uns leitendes Prinzip. Überkommene Privilegien der Ehe sollen überwunden werden. Deswegen sollen der besondere Schutz und die Förderung durch Staat und Gesellschaft in Zukunft nicht Ehepaaren, sondern denjenigen zu Gute kommen, die mit Kindern oder Pflegebedürftigen leben und Kompensation für daraus erwachsende Nachteile benötigen. (…)

Wir wollen die Öffnung der Ehe und das volle Adoptionsrecht für Alle. Reproduktionsmedizin muss auch nichtverheirateten und lesbischen Frauen zur Verfügung stehen. – Kinder brauchen Erwachsene, die sich liebevoll und verbindlich um sie kümmern. Eltern und Sorgeberechtigte sind nicht unbedingt dieselben Personen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch (bis zu) vier Personen Eltern für ein Kind sein können, also in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben. Neben den Pflichten betrifft das auch Rechte wie Kinderfreibeträge und Rentenansprüche. Diese vertraglich zu regelnde Verbindlichkeit betrifft umgekehrt auch Rechte des Kindes gegenüber allen Elternteilen, wie Unterhaltsanspruch und Erbe.“

FDP

Auch die FDP setzt sich für die Änderung des Familienrechts ein. Sie fordert neben der Ehe das Rechtsinsitut der „Verantwortungsgemeinschaft“, mit „flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme“. Der Reproduktionsmedizin ist ein eigener Absatz gewidmet. Anders als bei den übrigen Parteien wird darin die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft ausdrücklich genannt.

Wir Freie Demokraten setzen uns für die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft als Rechtsinstitut neben der Ehe ein. In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht immer tragen, wächst der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absicherung – jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehungen.Deshalb wollen wir im Bürgerlichen Gesetzbuch neben der Ehe das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen zwei oder mehreren Personen einführen. Um Rechtsklarheit gegenüber anderen Verpflichtungen zu wahren, dürfen diese Personen weder verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie miteinander verwandt sein. Begünstigungen durch den Staat im Steuer- und Sozialrecht, aber auch im Erbrecht, sind nur gerechtfertigt, wenn die Partner volle Unterhalts- und Einstandspflichten wie Ehepaare übernehmen.

Chancen der Reproduktionsmedizin für die Familiengründung nutzen

Wir Freie Demokraten fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Allen Menschen muss unabhängig vom Familienstand der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten gegeben werden. Das Kindeswohl hängt von der Liebe der Eltern ab, nicht von der Art der Zeugung. Der Staat sollte sich aus den intimen Angelegenheiten heraushalten und freie Entscheidungen ermöglichen, die ethisch vertretbar sind. Eizellspenden und nicht-kommerzielle Leihmutterschaft sind in vielen Staaten der EU bereits legal und sollten auch in Deutschland unter Auflagen erlaubt werden.

AFD

Das Statement der AFD zum eigenen Familienbild fällt kurz und knapp aus, man grenzt sich mit einer Negativaussage ab:

„Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.“

 

Save the Date: Tagung 3./4.11.2017 „Familiengründung mit Hilfe Dritter“ plus Mitgliederversammlung DI-Netz

Am Freitag, den 3.11. und Samstag, den 4.11.2017 wird in Göttingen eine interdisziplinäre Tagung stattfinden, die auch für Familien und Kinderwunschpaare interessant ist.

Im Zentrum steht die assistierte Reproduktion – die Familiengründung mit Hilfe Dritter. Aus Sicht von Medizin, Ethik, Recht, Beratung und aus der lebensweltlichen Perspektive von Personen, die eigene Erfahrungen mit dem Tagungsthema haben, sollen verschiedene Verfahren assistierter Reproduktion in den Blick genommen werden.

Veranstaltet wird die Tagung von den Medizinethikerinnen Prof. Dr. Claudia Wiesemann und Dr. Katharina Beier der Universität Göttingen, zusammen mit DI-Netz (vertreten durch Claudia Brügge) und Petra Thorn von BKiD. DIe Tagung findet in dem Tagungsgebäude „Alte Mensa“ statt.

Für DI-Netz ist das Tagungskonzept ganz besonders: Wir werden den zweiten Konferenztag – der sich dem Thema Familien nach Samenspende widmet – wesentlich mitgestalten. Die Lebenswirklichkeit unserer Familien steht dabei im Zentrum, und einige Mitglieder und Ehrenmitglieder aus dem DI-Netz werden am Samstag eigene Workshops und Vorträge anbieten. Wir hoffen, dass neben den Fachleuten auch viele Familien – Eltern und gern mit Kindern – anreisen können. Alle Erwachsenen sind eingeladen mitzudiskutieren.

Im Anschluss an die Tagung wird am Samstagnachmittag unsere diesjährige Mitgliederversammlung des DI-Netzes stattfinden. Also: Bitte alle schon mal den Termin 3./4.November vormerken!

Die meisten Familien werden sich wohl in der Göttinger Jugendherberge einquartieren, die nicht weit von dem Tagungsgebäude ist. Also ruhig schon mal ein Zimmer für die eigene Familie reservieren! Am Samstagabend können ja diejenigen Familien, die Lust dazu haben, gern auch noch zum Ausklang etwas Zeit mit den Kids in der Jugendherberge verbringen.

Kinderwunsch-Tage – Februar 2017 in Berlin

Vom 18. bis 19. 2. 2017 finden in Berlin die Kinderwunsch-Tahttp://www.kinderwunsch-tage.de/ge statt.

Die Kinderwunsch-Tage sind eine Informationsveranstaltung für Menschen mit Kinderwunsch. Man kann hier viele Stände, Vorträge und Workshops von verschiedenen Organisationen und Einrichtungen besuchen und mit Experten ins Gespräch kommen.

Auch DI-Netz wird dort mit einem eigenen Stand vertreten sein, ebenso mit Vorträgen und Workshops.

Unsere Vortrags-Titel lauten beispielsweise:

♦ „Psychologie von Familien nach Samenspende“

♦ „Offen gesprochen – wie kann ein offener Umgang mit dem Thema Samenspende“ aussehen?“

♦ „Von ‚Kindern auf Bestellung‘ und ‚gepaltener Elternschaft‘ – wie Begriffe unser Denken prägen

♦ „Neue Formen der Familienbildung aus Perspektive der Familien“

DI-Netz-Mitglieder können beim Verein gern Freikarten für ihren Besuch der Kinderwunsch-Tage bestellen.

www.kinderwunsch-tage.de

Expertenanhörung des Deutschen Ethikrats zur Embryonenspende

Der Deutsche Ethikrat bereitet derzeit eine Stellungnahme zur Embryonenspende vor und hat DI-Netz zu einer Expertenanhörung eingeladen.

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Die Vorsitzende des Deutschen Ethikrates Prof. Dr. med. Christiane Woopen und der Sprecher für DI-Netz e.V. Dipl.Psych. Ulrich Simon bei der Expertenanhörung der AG Embryonenspende am 26.5.15 in Berlin (Foto: C. Brügge)

Am 11. Mai hatten bereits Vertreter des „Netzwerk Embryonenspende“ und  die Sozialwissenschaftlerin Fiona MacCallum aus Großbritannien ihre Vorträge gehalten. Für unser Familiennetzwerk DI-Netz referierte am 26. Mai unser Vereinsmitglied Ulrich Simon, zusammen mit Claudia Brügge. Danach eine Vertreterin der Gruppierung der sogenannten „Spenderkinder“. Im Anschluß an die beiden Vorträge ergab sich eine rege und kontroverse Diskussion.

Beide Sitzungen waren nicht-öffentlich. Die Ratsmitglieder der „AG Embryonenspende“ hatten im Vorfeld zwölf Fragen an die eingeladenen Referenten und Referentinnen formuliert. Der Inhalt der Fragen reichte von der Aufklärung und dem Kenntnisrecht des Kindes über die gesetzliche Regelung und dem Mitspracherecht der abgebenden und empfangenden Eltern bis hin zum befürchteten Fremdheitserleben zwischen Eltern und Kind. Durchweg ging es sowohl um Gemeinsamkeiten als auch um Unterschiede zwischen Samen- und Embryonenspende.

Die deutsche Vereinigung DI-Netz hat vor allem die Familiengründung mit Samenspende zum Thema – nicht die Embryonenspende. Daher taten wir für die Beantwortung der Fragen zweierlei:  Erstens haben wir uns im Rahmen einer internen Expertenumfrage an die Fachleute innerhalb unseres Vereins gewandt, die bereits einiges mehr über die Embryonenspende wissen als die meisten von uns. Zweitens haben wir uns in unserem Vortrag von dem eigenen Erfahrungshintergrund her – der Samenspende in Deutschland – an die Fragen zur Embryonenspende angenähert.

Bei der internen Expertenumfrage im DI-Netz befragten wir zunächst unsere beiden Moderatorinnen der Internetforen, und ebenso fünf der Ehrenmitglieder des Vereins. Die psychosoziale Beraterin Dr. Petra Thorn und die Rechtsanwältin Dr. Helga Müller haben sich freundlicherweise bereit erklärt, die zwölf Fragen des Ethikrats aus ihrer Perspektive zu beantworten. Ebenso drei Ehrenmitglieder aus dem internationalen Ausland, denn dort wird die Embryonenspende schon länger praktiziert: Prof. Ken Daniels (Neuseeland), Olivia Montuschi & Walter Merricks (DCN, Großbritannien) und Wendy Kramer (Donor Sibling Registry, USA). Wir möchten ihnen an dieser Stelle ganz herzlich danken, dass sie uns ihre Einschätzung zur Verfügung gestellt haben.

Bemerkenswert ist, dass sich offenbar keiner der von uns befragten Experten für ein Verbot der Embryonenspende ausspricht. Alle machen gleichwohl deutlich, dass bei der Spende von Embryonen auf eine ganz besonders sorgfältige Regelung zu achten ist und dass die anstehenden Themen für die betroffenen Paare und ihre Kinder besonders komplex und eine echte Herausforderung sind.

(Die schriftliche Ausfertigung des Vortrags sowie des Readers mit den Experteneinschätzungen können Sie oben im Text anklicken, sind aber auch in Papierform bei DI-Netz erhältlich.)

 

DI-Netz und BKiD schreiben an das Bundesjustizministerium

DI-Netz hat gemeinsam mit BKiD, der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung, einen Brief ans Bundesjustizministerium geschickt, in dem wir uns zur Konkretierung des Auskunftsrechts der Kinder aus Samenspende äußern. Darin sprechen wir offene Fragen an und Punkte, die es vom Gesetzgeber dringend zu klären gilt.

Zum Nachlesen und Ausdrucken hier das Schreiben: BMJV Brief DI-Netz BKID

Rechtsanwältin Dr. Helga Müller zum Urteil des BGH, Teil 6

Die Rechtsanwältin Dr. Helga Müller (Frankfurt) ist Rechtsexpertin zu Fragen der Spendersamenbehandlung und Ehrenmitglied im DI-Netz. Sie hat sich freundlicher Weise bereit erklärt, für uns Familien im DI-Netz eine Stellungnahme zum Urteil des BGH zu schreiben. Sie erörtert uns wesentliche Aspekte des Urteils und benennt fünf Auskunftsvoraussetzungen.

11. März 2015

Urteil des BGH vom 28. Januar 2015, Az.: XII ZR 201/13

Gerne fasse ich nachstehend – zur Veröffentlichung auf der Website des Vereins – die wesentlichen Punkte des bahnbrechenden Urteils des Bundesgerichtshofes vom 28. Januar 2015 zusammen. Ich werde dabei vor allem die Gesichtspunkte hervorheben, auf die Eltern zu achten haben, wenn Sie zukünftig Spenderdaten für ihre Kinder zu sichern suchen. Ich werde meine Ausführungen mit einem kleinen Rückblick einleiten.

Das Grundgesetz ist seit dem 23. Mai 1949 in Kraft. Damit gibt es seit dem Jahr 1949 die Grundrechte der Menschenwürde, des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes mit seinen verschiedenen Ausformungen und des Schutzes von Ehe und Familie. Die Auslegung der einzelnen Grundrechte ist immer mit der Entwicklung des allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstseins einhergegangen. Die Entwicklung des allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstseins hat sehr viel mit dem Anerkenntnis der Mündigkeit jedes einzelnen Menschen zu tun. Dieses Anerkenntnis der Mündigkeit knüpft an den selbstreflektierten Menschen an, der imstande ist, sich eigene Ziele zu setzen und nicht der autoritären Bevormundung des Staates oder gar einer gesellschaftlichen Elite bedarf, wie sie die Gruppe der Ärzte über Jahrzehnte darstellte. Ich begreife das Urteil des Bundesgerichtshofes in diesem Sinne als eine Erklärung für die Mündigkeit von Spenderkindern und Wunscheltern.

Bereits im Jahr 1989 hat das Bundesverfassungsgericht von einem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gesprochen. Dennoch war es ein jahrzehntelanger Kampf, Ärzten zu verdeutlichen, dass Kinder ein Auskunftsrecht haben, ungeachtet des Umstandes, ob dies in einem Behandlungsvertrag explizit vereinbart worden ist oder nicht. Viele Reproduktionsmediziner stellten in ihrer Beratungs- und Behandlungspraxis ihre persönliche Auffassung an vorderste Stelle und bewahrten Spenderdaten nicht einmal über einen Zeitraum von zehn Jahren auf. Sie meinten, dass es dem Kindeswohl gerechter würde, wenn die Samenspende nicht offenbart würde und folglich auch kein Auskunftsinteresse geweckt würde. Wo die Spenderdaten aufbewahrt wurden, wollten Reproduktionsmediziner die Daten keinesfalls vor dem 18. Lebensjahr bereit stellen. Es war schon ein Erfolg, wenn es gelang, in einzelnen Behandlungsverträgen ein explizites Auskunftsrecht des zu zeugenden Spenderkindes ab dem 16. Lebensjahr zu vereinbaren.

Mit der Einführung einer dreißigjährigen Aufbewahrungsfrist im Geweberecht des 21. Jhdts. haben die jüngeren Spenderkinder erstmals die Sicherheit, dass die Daten ihrer Spender, wenngleich nicht ohne weiteres zugänglich, aber doch für einen längeren Zeitraum aufzubewahren sind. Die Behandlungsverträge und Verträge mit Samenbanken haben sich demzufolge auch in vielen Reproduktionskliniken geändert.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. Januar 2015 betrifft die jüngere Generation von Spenderkindern, die aufgrund der spezifischen Auffassung des behandelnden Reproduktionsmediziners bzw. der Gesetzeslage bereits darauf bauen konnte und kann, dass die Daten der Spender noch vorhanden sind und herausgegeben werden können.

Von dem Urteil des Bundesgerichtshofes profitieren unverändert nicht diejenigen Spenderkinder, die in dem Film ‚Anonym gezeugt’ von Michaela Bruch und Klaus Berger eine Stimme erhalten haben. Der Film wurde am 5.3.2015, 22.30 h-23.15 h, in der Reihe ‚Menschen hautnah’ des WDR ausgestrahlt. Diese Gruppe von Spenderkindern kann einen Zugriff auf Daten einer Samenbank oder auf Daten, die notariell hinterlegt worden sind, nicht einfordern, weil solche Daten tatsächlich oder angeblich nicht mehr existieren.

Welche Möglichkeiten haben nun aber die Spenderkinder, deren Daten verfügbar sind?

Der Bundesgerichtshof hat am 28. Januar 2015 einen Auskunftsanspruch aus der zivilrechtlichen Generalklausel des § 242 BGB konkret noch nicht bejaht. Er hat aber Kriterien aufgestellt, die erfüllt sein müssen, soll ein Auskunftsanspruch bejaht werden. Anhand dieser Kriterien wird nun in den beiden konkreten Fällen das Landgericht Hannover neu darüber zu befinden haben, ob die Klägerinnen tatsächlich einen Auskunftsanspruch haben oder nicht.

Ich will die Kriterien nachfolgend tabellarisch anführen und erläutern. Eltern wie Spenderkinder können danach sehr genau abwägen, welche Aussichten ihr Auskunftsbegehren im konkreten Fall haben wird.

Ein Auskunftsanspruch besteht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, wenn es die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen mit sich bringen, dass ein Anspruchsteller, der zur Durchsetzung eines eigenen Rechts auf Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und das Gegenüber unschwer in der Lage ist, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihm dies zumutbar ist.

Aus diesem Obersatz ergeben sich insgesamt fünf Anspruchsvoraussetzungen.
1.

Es muss zwischen den Parteien eine Rechtsbeziehung bestehen. Juristen nennen diese eine ‚Sonderverbindung’.
Diese Sonderverbindung kann sich grundsätzlich aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis, familienrechtlichen oder erbrechtlichen Verhältnis ergeben.

Befasst hat sich der Bundesgerichtshof lediglich mit dem vertraglichen Schuldverhältnis, wie ein Behandlungsvertrag es zu begründen geeignet ist.

Dabei hatte der Senat es offenbar mit Verträgen zu tun, die noch keine explizite Regelung zu einem Auskunftsrecht des Spenderkindes enthalten, wie sie vor allem im Bereich der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare und alleinstehender Frauen seit vielen Jahren verbreitet sind. Nur bei solchen Verträgen kann man von echten Verträgen zugunsten Dritter sprechen. Sie geben dem zu zeugenden Kind ein unmittelbares Leistungsforderungsrecht.

Die Behandlungsverträge, die den beiden zu entscheidenden Fällen zugrunde liegen, hat der Bundesgerichtshof als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten des zu zeugenden Kindes definiert. Die daraus folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten der unmittelbaren Vertragsbeteiligten haben zur Folge, dass es mit der Geburt zu einer Rechtsbeziehung zwischen dem Spenderkind und dem Reproduktionsmediziner oder der Samenbank gekommen ist. Spenderkinder können deshalb nunmehr – genauso wie im Fall des echten Vertrages zugunsten Dritter – unmittelbar aus jedem Behandlungsvertrag Auskunftsansprüche gegen den jeweiligen Reproduktions-mediziner oder die jeweilige Samenbank stellen.

Dies setzt jedoch voraus, dass der Anspruchsteller einen Behandlungsvertrag nachweisen kann. Eltern sollten also die Vertragsunterlagen sorgfältig aufbewahren, um diese im Fall des Auskunftsinteresses vorlegen zu können. Auf die Möglichkeit des Nachweises kommt es insbesondere dann an, wenn Unterlagen bei einem Reproduktionsmediziner oder einer Samenbank untergegangen sind und/oder der Abschluss eines Behandlungsvertrages streitig ist.

2.

Auf Seiten des Anspruchstellers muss eine Rechtsposition bestehen, deren Verwirklichung nur im Wege der Auskunft zu erreichen ist, also mit einem Informationsbedürfnis einhergeht. Das fordert zum einen die Existenz einer derartigen Rechtsposition. Es erfordert ferner, dass der Anspruchsteller Träger dieser Rechtsposition ist, d.h. ein Informationsbedürfnis hat. Und es erfordert eine Prozessführungsbefugnis.

Zur Rechtsposition hat sich der Bundesgerichtshof nunmehr erstmals sehr deutlich erklärt.

Es handelt sich um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und damit auf Information über die Identität des Samenspenders. Dieses Recht ist Ausfluss des verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Information kann von elementarer Bedeutung für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sein. Der Bezug zu den Vorfahren kann im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für das eigene Selbstverständnis einnehmen und wichtige Anknüpfungspunkte für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Verständnisses für die familiären Zusammenhänge einnehmen.

Diese Rechtsposition besteht von Geburt an und nicht erst ab Volljährigkeit oder ab dem 16. Lebensjahr. Denn das Interesse erwacht typischerweise nicht erst ab einem bestimmten Alter. Der Senat hat sämtliche dagegen gerichteten Argumente aus einem vermeintlichen Kindeswohl heraus verworfen.

Es versteht sich von selbst, dass die Inhaberschaft der Rechtsposition im Fall der Auskunft nicht streitig sein darf. Der Anspruchsteller muss tatsächlich die Frucht aus der im Behandlungsvertrag genannten heterologen Insemination sein. Der Tatrcichter hat sich dazu eine Überzeugung zu bilden. In jetzt noch nicht absehbaren Streitfällen wird dies nachzuweisen sein. Zweifelhaft kann die Trägerschaft vor allem dann sein, wenn zur Behandlung ein Samencocktail verwendet worden ist. Für diesen Fall hat der Senat angenommen, dass nur die Auskunft Sicherheit verschaffen kann und deshalb u.U. auch Informationen über mehrere Spender zum Inhalt haben kann.

In Konsequenz des Entstehens der Rechtsposition mit der Geburt hat der Senat die Position der Eltern gestärkt. Sie werden es nun anstelle von Reproduktionsmedizinern sein, die es zukünftig durch Aufklärung der Spenderkinder und Unterstützung bei der Verfolgung von Auskunftsinteressen in der Hand haben, im Rahmen ihrer erzieherischen Verantwortung den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Auskunft verlangt wird. Eltern müssen nicht einmal mehr abwarten, bis das Spenderkind ein eigenes Interesse äußern kann. Haben Eltern als gesetzliche Vertreter eines Spenderkindes einen Anlass der Sorge um die Aufbewahrung von Spenderdaten, dann gebietet sich im Interesse des Kindes geradezu eine frühzeitige Geltendmachung des Auskunftsanspruches.

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsstellung der Eltern also in der Weise gestärkt, dass diese es im Ergebnis sind, die für die Wahrung der Rechtsposition des Spenderkindes – unabhängig von dem Willen des Spenderkindes – verantwortlich sind.

Wichtig ist dabei, dass die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangt wird, d.h. mit dem Ziel, die Information an das Kind weiter zu geben. Dazu genügt, dass die Eltern dem Kind die Zeugungsart und die Identität des Samenspenders offenlegen wollen. Ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erlangung der Information und der Weitergabe an das Kind ist nicht erforderlich.

Fordern Eltern als gesetzliche Vertreter eines Spenderkindes Auskunft müssen sie folglich darlegen, dass sie die Information verlangen, um das Kind informieren zu können.

Für die Praxis von Behandlungsverträgen und Spenderverträgen bedeutet das natürlich, dass es fortan überhaupt keinen Sinn mehr macht, eine Anonymität zu vereinbaren.
3.

Der Anspruchsteller muss in entschuldbarer Weise über die Daten des Samenspenders im Ungewissen sein.

Dieses Kriterium ist angesichts der vorgeburtlichen Vereinbarung der Anonymität bzw. Zurückhaltung der Daten im Rahmen von Behandlungsverträgen fast nur formaler Natur. Es ist unzweifelhaft, dass ein Spenderkind, das ein Informationsbedürfnis hat, in entschuldbarer Weise über die Daten des Samenspenders im Ungewissen ist.

4.

Das Gegenüber, d.h. ein Reproduktionsmediziner oder eine Samenbank muss unschwer in der Lage sein, die geforderten Daten des Samenspenders herauszugeben.

Mit diesem Kriterium hat sich der Bundesgerichtshof nicht näher befasst, da in den konkreten Fällen unstreitig war, dass die Spenderdaten verfügbar sind.

In der Praxis wird dieses Kriterium erfahrungsgemäß jedoch eine entscheidende Hürde darstellen. Immer noch gibt es Reproduktionsmediziner, die die Daten nicht lückenlos aufbewahren. Immer noch gibt es Fälle, in denen sich Reproduktionsmediziner Samen mitbringen lassen, deren Herkunft ihnen nicht bekannt ist. Der Überbringer ist es dann allein, der Auskunft erteilen kann. Mit diesem besteht aber nicht notwendig ein Vertragsverhältnis, aus dem im Sinne der Rechtsprechung des Senats eine Sorgfalts- und Schutzpflicht zugunsten des Spenderkindes abgeleitet werden kann.

5.

Die Herausgabe der Daten des Samenspenders muss dem Reproduktionsmediziner oder der Samenbank zumutbar sein.

Zur Frage der Zumutbarkeit ist der Bundesgerichtshof aus gutem Grund auf eine Vielzahl von Interessen auf Seiten der in Anspruch genommenen bzw. in Anspruch zu nehmenden Reproduktionsmediziner, Samenbanken und Samenspender eingegangen. Zu diesen Interessen war und ist immer eine Grundrechteabwägung durchzuführen.

Immer wird es hiernach auf eine Abwägung im Einzelfall ankommen. Bei dieser Abwägung ist jedoch das herausragende Recht des Spenderkindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung dominant.

Ohne maßgebliche Bedeutung ist die immer wieder angeführte Berufsausübungsfreiheit der Reproduktionsmediziner, die um den Bestand von Samenspendern besorgt sind. Reproduktionsmediziner und Samenbanken können sich auch nicht auf ein Geheimhaltungsinteresse berufen, da das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung bereits seit über dreißig Jahren in Rechtsprechung, Rechtsliteratur und vor allem auch den eigenen Richtlinien der Reproduktionsmediziner thematisiert worden ist. Das bedeutet, dass auch drohende Schadensersatzforderungen kein Auskunftsverweigerungsrecht begründen.
Berücksichtigungsfähig soll allein die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StBG) sein. Die Schweigepflicht bewirkt, dass auch Rechtspositionen derjenigen Personen mitzuberücksichtigen sind, denen die Schweigepflicht dienen soll. Die Zielrichtung der Schweigepflicht schließt es aus, dass die bloße Berufung auf die Schweigepflicht bereits ausreicht, um eine Auskunft zu verweigern. Konkret müssen vom Auskunftsverpflichteten also Rechte der betroffenen Samenspender oder aber der Kindeseltern vorgetragen werden.

Als erhebliche Rechtsposition von Samenspendern hat der Bundesgerichtshof deren informationelle Selbstbestimmung, gleichfalls ein Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), und den Schutz vor wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, ein Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), abgewogen. Nur vordergründig kommt es dabei darauf an, ob der Samenspender über die mögliche Auskunftspflicht informiert worden ist oder nicht. Ist er informiert worden oder hat er von vorneherein auf seine Anonymität verzichtet, fehlt es an jeglichem Schutzbedürfnis hinsichtlich der informationellen Selbstbestimmung. Im Fall der Zusicherung der Anonymität soll das Recht des Samenspenders auf informationelle Selbstbestimmung dagegen hinter dem Recht auf Information zur eigenen Abstammung zurückstehen, zumal mit der Samenspende auch die Übernahme einer sozialen und ethischen Verantwortung einher geht. Nichts anderes gilt für die allgemeine Handlungsfreiheit. Sie steht ohnehin im Rang unter dem Persönlichkeitsrecht der Information zur eigenen Abstammung und kann diesem deshalb nicht vorgehen.

Als erhebliche Rechtspositionen von Kindeseltern hat der Bundesgerichtshof keine von schützenswertem rechtlichem Belang erkannt.

Nach Lage der Prüfung wird den beiden Klägerinnen hiernach ein Auskunftsanspruch vor dem Landgericht Hannover voraussichtlich zuerkannt werden.

Für zukünftige Fälle hat der Senat noch zwei Aspekte angesprochen, die zu Streitpunkten führen können.

Das ist ein Verzicht der Eltern auf eine Information über den Spender. Ein solcher Verzicht kann z.B. in älteren Behandlungsverträgen noch zu finden sein. Hier wird zu unterscheiden sein, ob die Eltern eine Erklärung im eigenen Namen oder im Namen des Kindes abgegeben haben.

Das ist ferner die Frage der Antragstellung, nämlich die Frage, ob Auskunft über die Identität des Samenspenders verlangt werden soll, oder über die Identität des biologischen Vaters. M.E. ist der Senat insoweit dahin zu verstehen, dass es darauf nicht wesentlich ankommt.

Womit sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung überhaupt nicht befasst hat, ist die Frage des Umfangs der Auskunft. Es wird also den Instanzgerichten überlassen bleiben, zukünftig im Einzelnen zu bestimmen, welche Daten zur Feststellung der Identität des Samenspenders und damit der eigenen Abstammung erforderlich sind. Geht man davon aus, dass sich die Identität immer dann feststellen lässt, wenn Daten im polizeilichen Sinne vorliegen, dann wird die Mitteilung des Namens mit Vor- und Zunamen, des Geburtsortes und Geburtstages sowie der letzten gültigen Anschrift und womöglich der Nummer des Personalausweises den Anspruch erfüllen.

Liebe Frau Brügge, ich hoffe, den Mitgliedern Ihres Vereins und der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins mit diesen Ausführungen gedient zu haben und wünsche Ihnen allen weiterhin ein fruchtbares Wirken.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Helga Müller
Rechtsanwältin