Öffentliche Anhörung zum geplanten Samenspenderregistergesetz im Gesundheitsausschuss (Gesetzgebung, Teil 14)

In der vergangenen Woche (am 29.3.17) gab es im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine öffentliche, etwa einstündige Anhörung zum geplanten Samenspenderregister-Gesetz. Als Sachverständige waren achtzehn Verbände und ein Einzelsachverständiger eingeladen, darunter auch unser DI-Netz. Dreizehn Verbände reichten zuvor eine schriftliche Stellungnahme ein.

DI-Netz wurde bei der mündlichen Anhörung durch unser Ehrenmitglied Rechtsanwältin Dr. Helga Müller vertreten. Auch nutzten einige Eltern, teils mit ihren Kindern, die Möglichkeit, die Anhörung auf der Besuchertribüne mitzuverfolgen. Wer sich die Sitzung im Nachgang im Bundestagsfernsehen ansehen möchte, findet sie in der Mediathek des Bundestages als Videomitschnitt. Es gibt auch einen kurzen zusammenfassenden Text der Pressestelle des Bundestages.

Während der Anhörung wurden gut vorbereitete Fragen zu strittigen Aspekten des Gesetzentwurfs gestellt. Die Einschätzung des DI-Netzes wurde zu drei Punkten angefragt: zum Ausschluss der gerichtlichen Feststellung des Samenspenders als juristischer Vater, zu unseren Regelungswünschen hinsichtlich der sogenannten Altfälle vor Inkrafttreten des TPGs und zu der Überlegung, den Samenspender ins Geburtenregister einzutragen.

PROF. HELMS: „…Freistellung des Samenspenders unbedingt erforderlich, damit man endlich einen entspannten und offenen Umgang mit der Samenspende praktizieren kann.“

Viel Raum nahm bei der Anhörung die geplante BGB-Änderung ein, dass nämlich der Samenspender nicht mehr als rechtlicher Vater gerichtlich festgestellt werden kann. Besonders gut hat uns hier die nachdrückliche und pointierte Argumentation von Prof. Tobias Helms gefallen, der klarstellte, dass eine solche Regelung international längst „absoluter Standard“ ist und dass ja auch beim Ausschluss des Samenspenders durchaus noch die freiwillige und einvernehmliche Vaterschaftsanerkennung bzw. eine Erwachsenenadoption möglich wäre.

Helga Müller aus unserem DI-Netz brachte im späteren Verlauf ergänzend an, dass  die DI-Väter durch die neue Regelung eine Stärkung erfahren: „In dem Moment, in dem Samenspender nicht mehr als rechtlicher Vater festgestellt werden können, verliert der DI-Vater im gesellschaftlichen Kontext sein Stigma als ‚halber Vater‘, der jederzeit mit einer Veränderung des rechtlichen Status rechnen muss.(…)

Und Dr. Peet von der Berliner Samenbank schätzte es so ein, dass durch die neue Regelung die „Spendenbereitschaft deutlich zunehmen wird„.

Ingesamt tendierte die Stimmung unter den Sachverständigen wohl dazu, dem Ausschluss der Feststellung des Samenspenders als juristischer Vater eher zuzustimmen, wenngleich es vereinzelte Stimmen gab, die dieser Regelung eher kritisch entgegen sehen oder für Ausnahmen plädierten (Motejl vom Spenderkinder-Verein, Lüblinghoff vom Deutschen Richterbund, Becker vom DAV).

DI-NETZ mahnt Regelung für sogenannte Altfälle an: „Im DI-Netz gibt es sehr viele Kinder, die gerade mal neun Jahre sind, und nicht mehr von dem neuen Gesetz profitieren (…)“

Ein ausgesprochen wichtiges – unserem Verein sehr am Herzen liegendes Anliegen – ist die Frage der sogenannten Altfälle aus der Zeit vor 2007, als das TPG noch nicht in Kraft war. Eine diesbezügliche Regelung ist im jetzigen Entwurf unberücksichtigt.

Neben DI-Netz hatten sich schon einige andere kritisch über die Vernachlässigung dieser Fälle geäußert. Dies sind zum Beispiel der „Spenderkinder“-Verein, die Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKID, der Deutsche Anwaltsverein DAV, die Berliner Samenbank sowie die GRÜNEN und DIE LINKE.

Während der Anhörung wurden DI-Netz und der Verein „Spenderkinder“ dazu gefragt (siehe Videomitschnitt 14:42 – 14:46 Uhr). Beide Vereine sind sich einig, dass auch ältere Daten, die nicht nach dem TPG oder nach Inkraftreten des neuen Gesetzes erfaßt sind, ebenfalls ins neue Spenderregister überführt werden sollten. Denkbar wäre dies beispielsweise mit Einwilligung des Samenspenders und der Kindsmutter. Oder indem diese Fälle wenigstens mit in die Übergangsregelung §13 einbezogen werden, die vorsieht vorhandene Datensätze aus der Zeit vor Inkraftreten des neuen Gesetzes wenn auch nur in den Entnahmeeinrichtungen 110 Jahre aufzubewahren. Dies wäre eine wirksame gesetzgeberische Maßnahme, um zumindest zu verhindern, dass heute noch vorhandene Daten unwiederbringlich vernichtet werden (So eine Regelung müßte ggfs. ergänzt werden durch eine sanktionsbewehrte Führung von Bestands- bzw. Datenvernichtungsbüchern in den einzelnen Einrichtungen). Christina Motejl vom Spenderkinder-Verein wies darauf hin, dass bei einer Interessenabwägung Kindesinteressen regelmäßig überwiegen. Dass eine entsprechende Interessengewichtung in der gesetzlichen Regelung möglich ist, zeige sich beispielsweise in der jüngsten rückwirkenden Regelung im australischen Bundesstaat Victoria.

Offener Regelungsbedarf

In der Anhörung wurden weitere wichtige Punkte benannt, die mit dem neuen Gesetz erst mal offen bleiben: Der Regelungsbedarf bei Embryonenspende, die Begrenzung der Anzahl der so gezeugten Kinder pro Spender, die Möglichkeit genetische Halbgeschwister kennenzulernen, die Kenntnisrechte der Enkelgeneration, die Meldepflicht der Mutter nach der Geburt  und eine Präzisierung des Beratungsbedarf des gesamten beteiligten Personenkreises, hier vor allem der Beratungs- und Vermittlungsbedarf zum Zeitpunkt der Kontaktanbahnung zwischen Spender und Kind. Beide Personen –  so Hilland vom BRZ – treffen vollkommen unvorbereitet und isoliert aufeinander: „Die Mitteilung durch eine Behörde, das DIMDI, reicht nicht aus. Es braucht flankierende Maßnahmen.“

DI-Netz hatte sich zu den genannten Punkten schon in seiner ersten Stellungnahme gegenüber dem Gesundheitsministerium geäußert und kann hier also den meisten Äußerungen der übrigen Verbänden nur zustimmen.

Auch das Herabsetzen des Mindestalters einer selbständigen Auskunft des Kindes auf 14 Jahre oder eine rechtsfolgenlose Vaterschaftsfeststellung wurden bei der Anhörung zu Recht thematisiert und sollten bei der weiteren Gesetzgebung in Betracht gezogen werden. Weitere grundsätzliche Unklarheiten, wie die Zulässigkeit und die familienrechtliche Einordnung der Samenspende von alleinstehenden und lesbischen Frauen wurden wiederholt genannt, ebenso Regelungslücken der Privaten Samenspende und Spenden aus dem Ausland.

Prioritätensetzung: Wichtiges und Dringliches

Uneinig waren sich die Sachverständigen scheinbar vor allem hinsichtlich der Priorisierung der einzelnen Aspekte. Müssen einzelne Punkte eigentlich schon in der jetzigen Gesetzgebung zwingend verankert werden ( – Ist dies zeitlich noch vor Ende der Legislaturperiode zu schaffen?) oder können sie noch bis zur den nächsten Legislaturperioden warten oder gehen sie dann unter?

So scheinen einige Verbände mit der Begrenzung auf den jetzt vorgesehenen Gesetzgebungsschritt einigermaßen zufrieden, andere sehen im Gesetzesvorhaben nur eine unzureichende, „halbherzige“ „Teillösung“ oder gar „Verschlimmbesserung“. Manche sind pessimistisch, ob es in nächster Zukunft noch mal eine Chance geben wird, die jetzt bewußt offen gelassenen Regelungsbereiche politisch zu klären.

Das DI-Netz will sich zum jetzigen Zeitpunkt, in dieser Etappe ganz auf seine fundamentale Forderung zu den Altfällen konzentrieren. Hier befürchten wir am ehesten, dass ein Aufschieben eine spätere Regelung höchst unwahrscheinlich macht.

Es sind nur noch wenige Sitzungswochen bis zum Ende der Legislaturperiode. Vorrangig ist aus unser Sicht, dass das Gesetz überhaupt noch durchkommt. Es gibt noch Beratungen in den Ausschüssen und zwei Lesungen im Plenum, die gewünschten Veränderungen des Entwurfes bräuchten alle mehr oder weniger Bearbeitungszeit. Je mehr Nachbesserungen schon jetzt eingearbeitet werden können, um so besser. Ansonsten sollte man die wiederholt angesprochenen Aspekte in den weiteren, vielleicht umfangreicheren, abstammungsrechtlichen und fortpflanzungsmedizinischen Regelungen der nächsten Legislaturen zügig erneut aufgreifen.

Schade allerdings, dass über die Idee, einen weisungsunabhängigen Fachbeirat an das Spenderregister anzugliedern, nicht weiter gesprochen wurde. So ein Fachbeirat könnte – analog zum neuen Transplantationsregister – aus Vertretern der unterschiedlichen Verbände und Fachdisziplinen zusammengesetzt sein.  Dieses Gremium könnte einen wichtigen Beitrag dahingehend liefern, dass all die wichtigen, registerbezogenen offenen Punkte im Zuge der laufenden Umsetzung auf der Agenda bleiben anstatt womöglich still und leise unter den Tisch zu fallen.