Schlagwort-Archive: Abstammung

Kurzer Fernsehbericht über das neue Spenderregister – Zustimmung zum Transfer früherer Daten läßt sich nachholen!

Auf 3 SAT gab es anläßlich des geplanten Samenspenderregisters einen kurzen Fernsehbericht über die Fragen erwachsener Kinder und über ihre Suche nach dem Samenspender.

Das neue Gesetz wird in dem Bericht als lückenhaft kritisiert, unter anderem weil durch das Register keine medizinisch hilfreichen Informationen über den Spender zu bekommen seien (so äußerte sich zum Beispiel ein vertreter der BÄK). Ein ganz zentraler Kritikpunkt ist, dass das neue Gesetz keine Lösung für die Altfälle anbietet. Dabei könnte es nachgeholt werden, die Zustimmung der Spender für den Datentransfer in ein zentrales Register noch einzuholen – so auch Prof Dr. Katzorke im Filmbericht:

Hier nun der Link zu 3 Sat: http://www.3sat.de/page/?source=/nano/gesellschaft/192243/index.html

 

Fachgespräch von DI-Netz mit Rechtsexperten der CDU (Gesetzgebung, Teil 3)

Am 7.9.16 haben sich Vertreterinnen von DI-Netz mit Rechtsexperten der CDU- Bundestagsfraktion in Berlin zu einem Fachgespräch getroffen, um darüber zu sprechen, was Familien nach Samenspende vom Gesetzgeber brauchen.

Man gab uns die Gelegenheit, offen und ausführlich darüber zu sprechen, wie wir die gesetzliche Lage und die Praxis der Spendersamenbehandlung in Deutschland derzeit erleben und bewerten.

Das Hand-Out von DI-Netz für dieses Gespräch mit dem Titel „Was brauchen Familien nach Samenspende vom Gesetzgeber“ findet sich hier.

Gesetzesantrag der Grünen im Bundestag und Stellungnahme, Teil 1

Unter dem Titel „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende und das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung“ (BT-Drucksache 18/7655) hat die grüne Bundestagsfraktion im Februar einen Gesetzesantrag in den Bundestag eingebracht, der Vorschläge zur weiteren Regulierung der Samenspende macht, insbesondere zur Absicherung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung.

Zu dem Gesetzesantrag hat DI-Netz zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKiD und dem reproduktionsmedizinischen Arbeitskreis AKDI eine gemeinsame Stellungnahme verfasst. In dieser Stellungnahme analysieren wir ausführlich die Stärken und Schwächen des grünen Entwurfs.

Samenspende als Adoption regeln? DI-Netz bei den GRÜNEN im Bundestag

Am Montag (12.10.2015) war DI-Netz bei der grünen Bundestagsfraktion zu einem Fachgespräch mit dem Titel „Regelungsbedarf im Adoptionsrecht“  in den Bundestag eingeladen. Zusammen mit Vertretern anderer Organisationen haben wir eine Idee der GRÜNEN diskutiert, ob sich die Samenspende gesetzlich vielleicht als Adoption regeln ließe.

Zwischen Adoption und Samenspende gibt es Gemeinsamkeiten aber vor allem gravierende Unterschiede. DI-Netz hat zusammen mit den Beratungsfachkräften von BKiD (Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung) und den Ärzten und Samenbanken des AKDI (reproduktionsmedizinischer Arbeitskreis Donogene Insemination) eine kritische Stellungnahme verfasst.

In der gemeinsamen Diskussion mit den GRÜNEN wurde dann auch mehr als deutlich, dass eine Adoptionsregelung in unserem Bereich einfach keine gute Idee wäre.

Zum Nachlesen und Ausdrucken:

Unsere Stellungnahme lesen Sie bitte hier und die Powerpoint-Präsentation hier.

Informationen zum grünen Diskussionspapier finden Sie hier und ausführlicher hier.

Nachtrag: In einem späteren Schreiben hat das DI-Netz den GRÜNEN noch näher erläutert, worin die Differenzen zwischen dem Verein „Spenderkinder“ und „DI-Netz“ bestehen. Dieser Brief findet sich hier.

 

Endlich erfolgreich! Heute Prozess beendet: Familie erhält Spenderdaten (BGH, Teil 7)

Anfang dieses Jahres hat der Bundesgerichtshof in einem Revisionsverfahren geurteilt, dass Eltern, die hier bereits in dritter Instanz für ihre Kinder klagten, grundsätzlich berechtigt sein können, im Namen ihrer zwei minderjährigen Kinder Auskunft hinsichtlich der Identität des Samenspenders zu erhalten. Vom BGH wurden Rechtsfehler im vorherigen Urteil des Berufungsgerichts moniert und darüber hinaus wurden in der Urteilsbegründung einige allgemeine Rechtsfragen zur Samenspende klargestellt. – Auf der Webseite von DI-Netz haben wir bereits in einer sechsteiligen Serie ausführlich darüber berichtet.

Für den konkreten Fall der Familie heißt das: der BGH kassierte im Januar das vorinstanzliche Urteil ein, und das Landgericht Hannover war nun abermals aufgefordert, die nötige Interessenabwägung in diesem Rechtsstreit noch einmal sorgfältig durchzuführen und eine neue Entscheidung zu treffen. Beide Parteien mussten dafür in den vergangenen Monaten erneut Schriftsätze einreichen.

Die Entscheidung des Landgerichtes wurde endlich am heutigen Mittwoch (30.9.15) verkündet: Mit Erfolg für die Familie! (Die Berufung der Prozessgegner wurde nun also endgültig abgewiesen): Das Kinderwunschzentrum Bad Münder muss nun die Klardaten des Spenders an die Eltern, die die Interessen der Kinder im Prozess rechtmäßig vertreten haben, herausgeben.

DI-Netz gratuliert den Kindern und ihren Eltern ganz herzlich zu dem Ergebnis!

Wir freuen uns mit ihnen, dass sie den Prozess gewonnen haben, und danken ihnen für ihren langen Atem und ihren Mut auf dem mühsamen Weg durch die Instanzengerichte.

Ebenso ist dem Rechtsanwalt der Familie  Berthold Popadiuk aus Leipzig zu danken, der die Familie versiert durch die Prozesse begleitet hat. Herr Popadiuk bietet seine anwaltliche Hilfe gern weiteren Kindern mit ihren Eltern an, die vor Gericht klagen wollen.

– Dies Urteil wird in jedem Fall auch für andere Familien Geschichte schreiben!

(Claudia Brügge)

DI-Netz und BKiD schreiben an das Bundesjustizministerium

DI-Netz hat gemeinsam mit BKiD, der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung, einen Brief ans Bundesjustizministerium geschickt, in dem wir uns zur Konkretierung des Auskunftsrechts der Kinder aus Samenspende äußern. Darin sprechen wir offene Fragen an und Punkte, die es vom Gesetzgeber dringend zu klären gilt.

Zum Nachlesen und Ausdrucken hier das Schreiben: BMJV Brief DI-Netz BKID

Rechtsanwältin Dr. Helga Müller zum Urteil des BGH, Teil 6

Die Rechtsanwältin Dr. Helga Müller (Frankfurt) ist Rechtsexpertin zu Fragen der Spendersamenbehandlung und Ehrenmitglied im DI-Netz. Sie hat sich freundlicher Weise bereit erklärt, für uns Familien im DI-Netz eine Stellungnahme zum Urteil des BGH zu schreiben. Sie erörtert uns wesentliche Aspekte des Urteils und benennt fünf Auskunftsvoraussetzungen.

11. März 2015

Urteil des BGH vom 28. Januar 2015, Az.: XII ZR 201/13

Gerne fasse ich nachstehend – zur Veröffentlichung auf der Website des Vereins – die wesentlichen Punkte des bahnbrechenden Urteils des Bundesgerichtshofes vom 28. Januar 2015 zusammen. Ich werde dabei vor allem die Gesichtspunkte hervorheben, auf die Eltern zu achten haben, wenn Sie zukünftig Spenderdaten für ihre Kinder zu sichern suchen. Ich werde meine Ausführungen mit einem kleinen Rückblick einleiten.

Das Grundgesetz ist seit dem 23. Mai 1949 in Kraft. Damit gibt es seit dem Jahr 1949 die Grundrechte der Menschenwürde, des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes mit seinen verschiedenen Ausformungen und des Schutzes von Ehe und Familie. Die Auslegung der einzelnen Grundrechte ist immer mit der Entwicklung des allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstseins einhergegangen. Die Entwicklung des allgemeinen gesellschaftlichen Bewusstseins hat sehr viel mit dem Anerkenntnis der Mündigkeit jedes einzelnen Menschen zu tun. Dieses Anerkenntnis der Mündigkeit knüpft an den selbstreflektierten Menschen an, der imstande ist, sich eigene Ziele zu setzen und nicht der autoritären Bevormundung des Staates oder gar einer gesellschaftlichen Elite bedarf, wie sie die Gruppe der Ärzte über Jahrzehnte darstellte. Ich begreife das Urteil des Bundesgerichtshofes in diesem Sinne als eine Erklärung für die Mündigkeit von Spenderkindern und Wunscheltern.

Bereits im Jahr 1989 hat das Bundesverfassungsgericht von einem Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung gesprochen. Dennoch war es ein jahrzehntelanger Kampf, Ärzten zu verdeutlichen, dass Kinder ein Auskunftsrecht haben, ungeachtet des Umstandes, ob dies in einem Behandlungsvertrag explizit vereinbart worden ist oder nicht. Viele Reproduktionsmediziner stellten in ihrer Beratungs- und Behandlungspraxis ihre persönliche Auffassung an vorderste Stelle und bewahrten Spenderdaten nicht einmal über einen Zeitraum von zehn Jahren auf. Sie meinten, dass es dem Kindeswohl gerechter würde, wenn die Samenspende nicht offenbart würde und folglich auch kein Auskunftsinteresse geweckt würde. Wo die Spenderdaten aufbewahrt wurden, wollten Reproduktionsmediziner die Daten keinesfalls vor dem 18. Lebensjahr bereit stellen. Es war schon ein Erfolg, wenn es gelang, in einzelnen Behandlungsverträgen ein explizites Auskunftsrecht des zu zeugenden Spenderkindes ab dem 16. Lebensjahr zu vereinbaren.

Mit der Einführung einer dreißigjährigen Aufbewahrungsfrist im Geweberecht des 21. Jhdts. haben die jüngeren Spenderkinder erstmals die Sicherheit, dass die Daten ihrer Spender, wenngleich nicht ohne weiteres zugänglich, aber doch für einen längeren Zeitraum aufzubewahren sind. Die Behandlungsverträge und Verträge mit Samenbanken haben sich demzufolge auch in vielen Reproduktionskliniken geändert.

Das Urteil des Bundesgerichtshofes vom 28. Januar 2015 betrifft die jüngere Generation von Spenderkindern, die aufgrund der spezifischen Auffassung des behandelnden Reproduktionsmediziners bzw. der Gesetzeslage bereits darauf bauen konnte und kann, dass die Daten der Spender noch vorhanden sind und herausgegeben werden können.

Von dem Urteil des Bundesgerichtshofes profitieren unverändert nicht diejenigen Spenderkinder, die in dem Film ‚Anonym gezeugt’ von Michaela Bruch und Klaus Berger eine Stimme erhalten haben. Der Film wurde am 5.3.2015, 22.30 h-23.15 h, in der Reihe ‚Menschen hautnah’ des WDR ausgestrahlt. Diese Gruppe von Spenderkindern kann einen Zugriff auf Daten einer Samenbank oder auf Daten, die notariell hinterlegt worden sind, nicht einfordern, weil solche Daten tatsächlich oder angeblich nicht mehr existieren.

Welche Möglichkeiten haben nun aber die Spenderkinder, deren Daten verfügbar sind?

Der Bundesgerichtshof hat am 28. Januar 2015 einen Auskunftsanspruch aus der zivilrechtlichen Generalklausel des § 242 BGB konkret noch nicht bejaht. Er hat aber Kriterien aufgestellt, die erfüllt sein müssen, soll ein Auskunftsanspruch bejaht werden. Anhand dieser Kriterien wird nun in den beiden konkreten Fällen das Landgericht Hannover neu darüber zu befinden haben, ob die Klägerinnen tatsächlich einen Auskunftsanspruch haben oder nicht.

Ich will die Kriterien nachfolgend tabellarisch anführen und erläutern. Eltern wie Spenderkinder können danach sehr genau abwägen, welche Aussichten ihr Auskunftsbegehren im konkreten Fall haben wird.

Ein Auskunftsanspruch besteht unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben, wenn es die zwischen den Parteien bestehenden Rechtsbeziehungen mit sich bringen, dass ein Anspruchsteller, der zur Durchsetzung eines eigenen Rechts auf Auskunft angewiesen ist, in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechtes im Ungewissen ist und das Gegenüber unschwer in der Lage ist, die zur Beseitigung dieser Ungewissheit erforderlichen Auskünfte zu erteilen und ihm dies zumutbar ist.

Aus diesem Obersatz ergeben sich insgesamt fünf Anspruchsvoraussetzungen.
1.

Es muss zwischen den Parteien eine Rechtsbeziehung bestehen. Juristen nennen diese eine ‚Sonderverbindung’.
Diese Sonderverbindung kann sich grundsätzlich aus einem vertraglichen oder gesetzlichen Schuldverhältnis, familienrechtlichen oder erbrechtlichen Verhältnis ergeben.

Befasst hat sich der Bundesgerichtshof lediglich mit dem vertraglichen Schuldverhältnis, wie ein Behandlungsvertrag es zu begründen geeignet ist.

Dabei hatte der Senat es offenbar mit Verträgen zu tun, die noch keine explizite Regelung zu einem Auskunftsrecht des Spenderkindes enthalten, wie sie vor allem im Bereich der Behandlung gleichgeschlechtlicher Paare und alleinstehender Frauen seit vielen Jahren verbreitet sind. Nur bei solchen Verträgen kann man von echten Verträgen zugunsten Dritter sprechen. Sie geben dem zu zeugenden Kind ein unmittelbares Leistungsforderungsrecht.

Die Behandlungsverträge, die den beiden zu entscheidenden Fällen zugrunde liegen, hat der Bundesgerichtshof als Verträge mit Schutzwirkung zugunsten des zu zeugenden Kindes definiert. Die daraus folgenden Sorgfalts- und Schutzpflichten der unmittelbaren Vertragsbeteiligten haben zur Folge, dass es mit der Geburt zu einer Rechtsbeziehung zwischen dem Spenderkind und dem Reproduktionsmediziner oder der Samenbank gekommen ist. Spenderkinder können deshalb nunmehr – genauso wie im Fall des echten Vertrages zugunsten Dritter – unmittelbar aus jedem Behandlungsvertrag Auskunftsansprüche gegen den jeweiligen Reproduktions-mediziner oder die jeweilige Samenbank stellen.

Dies setzt jedoch voraus, dass der Anspruchsteller einen Behandlungsvertrag nachweisen kann. Eltern sollten also die Vertragsunterlagen sorgfältig aufbewahren, um diese im Fall des Auskunftsinteresses vorlegen zu können. Auf die Möglichkeit des Nachweises kommt es insbesondere dann an, wenn Unterlagen bei einem Reproduktionsmediziner oder einer Samenbank untergegangen sind und/oder der Abschluss eines Behandlungsvertrages streitig ist.

2.

Auf Seiten des Anspruchstellers muss eine Rechtsposition bestehen, deren Verwirklichung nur im Wege der Auskunft zu erreichen ist, also mit einem Informationsbedürfnis einhergeht. Das fordert zum einen die Existenz einer derartigen Rechtsposition. Es erfordert ferner, dass der Anspruchsteller Träger dieser Rechtsposition ist, d.h. ein Informationsbedürfnis hat. Und es erfordert eine Prozessführungsbefugnis.

Zur Rechtsposition hat sich der Bundesgerichtshof nunmehr erstmals sehr deutlich erklärt.

Es handelt sich um das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung und damit auf Information über die Identität des Samenspenders. Dieses Recht ist Ausfluss des verfassungsrechtlich geschützten allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2 Abs. 1 GG) und der Menschenwürde (Art. 1 Abs. 1 GG). Die Information kann von elementarer Bedeutung für die Entfaltung der eigenen Persönlichkeit sein. Der Bezug zu den Vorfahren kann im Bewusstsein des Einzelnen eine Schlüsselstellung für das eigene Selbstverständnis einnehmen und wichtige Anknüpfungspunkte für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Verständnisses für die familiären Zusammenhänge einnehmen.

Diese Rechtsposition besteht von Geburt an und nicht erst ab Volljährigkeit oder ab dem 16. Lebensjahr. Denn das Interesse erwacht typischerweise nicht erst ab einem bestimmten Alter. Der Senat hat sämtliche dagegen gerichteten Argumente aus einem vermeintlichen Kindeswohl heraus verworfen.

Es versteht sich von selbst, dass die Inhaberschaft der Rechtsposition im Fall der Auskunft nicht streitig sein darf. Der Anspruchsteller muss tatsächlich die Frucht aus der im Behandlungsvertrag genannten heterologen Insemination sein. Der Tatrcichter hat sich dazu eine Überzeugung zu bilden. In jetzt noch nicht absehbaren Streitfällen wird dies nachzuweisen sein. Zweifelhaft kann die Trägerschaft vor allem dann sein, wenn zur Behandlung ein Samencocktail verwendet worden ist. Für diesen Fall hat der Senat angenommen, dass nur die Auskunft Sicherheit verschaffen kann und deshalb u.U. auch Informationen über mehrere Spender zum Inhalt haben kann.

In Konsequenz des Entstehens der Rechtsposition mit der Geburt hat der Senat die Position der Eltern gestärkt. Sie werden es nun anstelle von Reproduktionsmedizinern sein, die es zukünftig durch Aufklärung der Spenderkinder und Unterstützung bei der Verfolgung von Auskunftsinteressen in der Hand haben, im Rahmen ihrer erzieherischen Verantwortung den Zeitpunkt zu bestimmen, zu dem die Auskunft verlangt wird. Eltern müssen nicht einmal mehr abwarten, bis das Spenderkind ein eigenes Interesse äußern kann. Haben Eltern als gesetzliche Vertreter eines Spenderkindes einen Anlass der Sorge um die Aufbewahrung von Spenderdaten, dann gebietet sich im Interesse des Kindes geradezu eine frühzeitige Geltendmachung des Auskunftsanspruches.

Der Bundesgerichtshof hat die Rechtsstellung der Eltern also in der Weise gestärkt, dass diese es im Ergebnis sind, die für die Wahrung der Rechtsposition des Spenderkindes – unabhängig von dem Willen des Spenderkindes – verantwortlich sind.

Wichtig ist dabei, dass die Auskunft zum Zweck der Information des Kindes verlangt wird, d.h. mit dem Ziel, die Information an das Kind weiter zu geben. Dazu genügt, dass die Eltern dem Kind die Zeugungsart und die Identität des Samenspenders offenlegen wollen. Ein bestimmter zeitlicher Zusammenhang zwischen der Erlangung der Information und der Weitergabe an das Kind ist nicht erforderlich.

Fordern Eltern als gesetzliche Vertreter eines Spenderkindes Auskunft müssen sie folglich darlegen, dass sie die Information verlangen, um das Kind informieren zu können.

Für die Praxis von Behandlungsverträgen und Spenderverträgen bedeutet das natürlich, dass es fortan überhaupt keinen Sinn mehr macht, eine Anonymität zu vereinbaren.
3.

Der Anspruchsteller muss in entschuldbarer Weise über die Daten des Samenspenders im Ungewissen sein.

Dieses Kriterium ist angesichts der vorgeburtlichen Vereinbarung der Anonymität bzw. Zurückhaltung der Daten im Rahmen von Behandlungsverträgen fast nur formaler Natur. Es ist unzweifelhaft, dass ein Spenderkind, das ein Informationsbedürfnis hat, in entschuldbarer Weise über die Daten des Samenspenders im Ungewissen ist.

4.

Das Gegenüber, d.h. ein Reproduktionsmediziner oder eine Samenbank muss unschwer in der Lage sein, die geforderten Daten des Samenspenders herauszugeben.

Mit diesem Kriterium hat sich der Bundesgerichtshof nicht näher befasst, da in den konkreten Fällen unstreitig war, dass die Spenderdaten verfügbar sind.

In der Praxis wird dieses Kriterium erfahrungsgemäß jedoch eine entscheidende Hürde darstellen. Immer noch gibt es Reproduktionsmediziner, die die Daten nicht lückenlos aufbewahren. Immer noch gibt es Fälle, in denen sich Reproduktionsmediziner Samen mitbringen lassen, deren Herkunft ihnen nicht bekannt ist. Der Überbringer ist es dann allein, der Auskunft erteilen kann. Mit diesem besteht aber nicht notwendig ein Vertragsverhältnis, aus dem im Sinne der Rechtsprechung des Senats eine Sorgfalts- und Schutzpflicht zugunsten des Spenderkindes abgeleitet werden kann.

5.

Die Herausgabe der Daten des Samenspenders muss dem Reproduktionsmediziner oder der Samenbank zumutbar sein.

Zur Frage der Zumutbarkeit ist der Bundesgerichtshof aus gutem Grund auf eine Vielzahl von Interessen auf Seiten der in Anspruch genommenen bzw. in Anspruch zu nehmenden Reproduktionsmediziner, Samenbanken und Samenspender eingegangen. Zu diesen Interessen war und ist immer eine Grundrechteabwägung durchzuführen.

Immer wird es hiernach auf eine Abwägung im Einzelfall ankommen. Bei dieser Abwägung ist jedoch das herausragende Recht des Spenderkindes auf Kenntnis der eigenen Abstammung dominant.

Ohne maßgebliche Bedeutung ist die immer wieder angeführte Berufsausübungsfreiheit der Reproduktionsmediziner, die um den Bestand von Samenspendern besorgt sind. Reproduktionsmediziner und Samenbanken können sich auch nicht auf ein Geheimhaltungsinteresse berufen, da das Recht auf Kenntnis der eigenen Abstammung bereits seit über dreißig Jahren in Rechtsprechung, Rechtsliteratur und vor allem auch den eigenen Richtlinien der Reproduktionsmediziner thematisiert worden ist. Das bedeutet, dass auch drohende Schadensersatzforderungen kein Auskunftsverweigerungsrecht begründen.
Berücksichtigungsfähig soll allein die ärztliche Schweigepflicht (§ 203 Abs. 1 Nr. 1 StBG) sein. Die Schweigepflicht bewirkt, dass auch Rechtspositionen derjenigen Personen mitzuberücksichtigen sind, denen die Schweigepflicht dienen soll. Die Zielrichtung der Schweigepflicht schließt es aus, dass die bloße Berufung auf die Schweigepflicht bereits ausreicht, um eine Auskunft zu verweigern. Konkret müssen vom Auskunftsverpflichteten also Rechte der betroffenen Samenspender oder aber der Kindeseltern vorgetragen werden.

Als erhebliche Rechtsposition von Samenspendern hat der Bundesgerichtshof deren informationelle Selbstbestimmung, gleichfalls ein Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG), und den Schutz vor wirtschaftlichen Folgen der Verwandtschaft, ein Ausfluss der allgemeinen Handlungsfreiheit (Art. 2 Abs. 1 GG), abgewogen. Nur vordergründig kommt es dabei darauf an, ob der Samenspender über die mögliche Auskunftspflicht informiert worden ist oder nicht. Ist er informiert worden oder hat er von vorneherein auf seine Anonymität verzichtet, fehlt es an jeglichem Schutzbedürfnis hinsichtlich der informationellen Selbstbestimmung. Im Fall der Zusicherung der Anonymität soll das Recht des Samenspenders auf informationelle Selbstbestimmung dagegen hinter dem Recht auf Information zur eigenen Abstammung zurückstehen, zumal mit der Samenspende auch die Übernahme einer sozialen und ethischen Verantwortung einher geht. Nichts anderes gilt für die allgemeine Handlungsfreiheit. Sie steht ohnehin im Rang unter dem Persönlichkeitsrecht der Information zur eigenen Abstammung und kann diesem deshalb nicht vorgehen.

Als erhebliche Rechtspositionen von Kindeseltern hat der Bundesgerichtshof keine von schützenswertem rechtlichem Belang erkannt.

Nach Lage der Prüfung wird den beiden Klägerinnen hiernach ein Auskunftsanspruch vor dem Landgericht Hannover voraussichtlich zuerkannt werden.

Für zukünftige Fälle hat der Senat noch zwei Aspekte angesprochen, die zu Streitpunkten führen können.

Das ist ein Verzicht der Eltern auf eine Information über den Spender. Ein solcher Verzicht kann z.B. in älteren Behandlungsverträgen noch zu finden sein. Hier wird zu unterscheiden sein, ob die Eltern eine Erklärung im eigenen Namen oder im Namen des Kindes abgegeben haben.

Das ist ferner die Frage der Antragstellung, nämlich die Frage, ob Auskunft über die Identität des Samenspenders verlangt werden soll, oder über die Identität des biologischen Vaters. M.E. ist der Senat insoweit dahin zu verstehen, dass es darauf nicht wesentlich ankommt.

Womit sich der Bundesgerichtshof in der Entscheidung überhaupt nicht befasst hat, ist die Frage des Umfangs der Auskunft. Es wird also den Instanzgerichten überlassen bleiben, zukünftig im Einzelnen zu bestimmen, welche Daten zur Feststellung der Identität des Samenspenders und damit der eigenen Abstammung erforderlich sind. Geht man davon aus, dass sich die Identität immer dann feststellen lässt, wenn Daten im polizeilichen Sinne vorliegen, dann wird die Mitteilung des Namens mit Vor- und Zunamen, des Geburtsortes und Geburtstages sowie der letzten gültigen Anschrift und womöglich der Nummer des Personalausweises den Anspruch erfüllen.

Liebe Frau Brügge, ich hoffe, den Mitgliedern Ihres Vereins und der Öffentlichkeitsarbeit des Vereins mit diesen Ausführungen gedient zu haben und wünsche Ihnen allen weiterhin ein fruchtbares Wirken.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Helga Müller
Rechtsanwältin

Urteil des BGH, Teil 5

Der Volltext des BGH-Urteils liegt jetzt vor.

Hier finden Sie die ausführliche Fassung des Urteils des Bundesgerichtshofs.

DI-Netz hat bereits in den letzten Wochen über die Verhandlung berichtet.

Im Urteil werden einige wichtige Punkte klar gestellt, die bisher oft fehlinterpretiert wurden:

1) Es besteht eine Rechtsbeziehung zwischen behandelndem Arzt und Kind. Die Spendersamenbehandlung hört für den Arzt nicht etwa auf, wenn eine Schwangerschaft der Patientin eingetreten ist, vielmehr entsteht eine Rechtsverbindung zwischen Arzt und Kind, aus dem sich ein Auskunftsanspruch des Kindes gegenüber dem Arzt ergibt. (S. 7)

2)  Es besteht laut BGH kein Bedarf, ein Mindestalter für das Auskunftsrecht festzulegen . Das Interesse an den eigenen Wurzeln erwacht nicht erst mit Ende des 16. Lebensjahres. (S. 9)

3) Es wird die Bedeutung des Elternrechts erläutert:

Es liegt in der Verantwortung der Eltern, wann und in welcher Form sie ihr minderjähriges Kind informieren. „Dabei werden sie die Persönlichkeit des Kindes, den Stand seiner Persönlichkeitsentwicklung, seine Verstandesreife, aber auch ihr individuelles Erziehungskonzept berücksichtigen.“ Diese Aspekte entziehen sich weitgehend einer generalisierenden Betrachtung und der Festlegung einer starren Altersgrenze. Es hängt nicht vom Lebensalter des Kindes ab, wann dessen  – aus der Erziehungsentscheidung seiner Eltern folgendes – Informationsbedürfnis entsteht. (S. 10)

Das Auskunftsrecht kann bei Minderjährigen nur durch die Eltern geltend gemacht werden. Und nur zum Zweck der Information des Kindes. (S. 13)

Das Informationsbedürfnis entsteht nicht erst, wenn dem Kind die Tatsache der Samenspende bekannt ist und es nach dem Spender fragt.

Es gibt keinen zeitlichen Zusammenhang zwischen Erlangung der Information durch die Eltern und der Mitteilung an das Kind. Die Eltern üben das Persönlichkeitsrecht des Kindes treuhänderisch aus, und es bleibt ihrer elterlichen Entscheidung überlassen, wann und unter welchen Umständen sie das Kind von seiner Herkunft in Kenntnis setzen. (S. 14, 17)

4) Es wird ein Rechtsvergleich mit dem Auskunftsrecht bei Adoption und der vertraulichen Geburt angestellt. (S. 11-13)

5) Falls es streitig wäre, ob der Samenspender der tatsächliche biologische Vater des Kindes ist, müßte sich ein Gericht eine Überzeugung davon bilden, ob es von der Zeugung mittels der Samenspende ausgehen kann. (S. 14)

6) Im Urteil wird die –  im juristischen Diskurs gewohnte –  etwas formelhafte Begründung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung ausgeführt:

Der Auskunftsanspruch des Kindes ergibt sich aus seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht (freie Entfaltung der Persönlichkeit, Schutz der Menschenwürde). Der Bezug zu den Vorfahren nehme eine Schlüsselstellung für das eigene Selbstverständnis ein. Die Kenntnis der Herkunft könne wichtige Anknüpfungspunkte für das Verständnis des familiären Zusammenhangs und für die Entwicklung der eigenen Persönlichkeit liefern. Die Unmöglichkeit, die eigene Abstammung zu klären, kann den Einzelnen erheblich belasten und verunsichern. (S. 16)

Der „Rechtsposition des Kindes wird regelmäßig ein erhebliches Gewicht im Rahmen der Abwägung zukommen (…) „wonach in der Regel zugunsten des Kindes zu entscheiden sei)…“(S.16-17)

7) Die Pflicht des Arztes wird erläutert.

Es sei „dahingestellt“, ob es ein Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit sei, wenn der Arzt Auskunft erteile. Es sei „nicht ersichtlich, inwieweit durch die Auskunftspflicht die Berufsausübung spürbar eingeschränkt“ werde.

Die Richtlinien der BÄK von 1985 und die Musterrichtlinie zur Durchführung der assistierten Reproduktion von 2006 machten den Auskunftsanspruch bereits deutlich: „Mit dem Blick hierauf gehört es seit fast 30 Jahren zu einer an den berufsständischen Richtlinien orientierten Berufsausübung im Bereich der Reproduktionsmedizin, dass die Behandlung im Wissen um den Auskunftsanspruch des Kindes vorgenommen wird.“  Es könne nicht behauptet werden, dass ein entsprechender Auskunftsanspruch erst mit dem Urteil des OLG Hamm begründet worden sei und dass das Bestehen vorher nicht erkennbar gewesen sei. (S. 18)

Es sei Sache des in Anspruch genommenen Arztes, die Belange der Eltern und des Samenspenders bei diesen zu erfragen und ggfs. im Verfahren geltend zu machen. Der Arzt kann sich nicht bloss auf seine Schweigepflicht berufen. (S. 20)

8) In diesem konkreten Rechtsstreit wird nicht geklärt, ob der Umfang des Auskunftsanspruch des Kindes auch Einsicht in die gesamten Behandlungsunterlagen beinhaltet.(S. 24)

9) Das Landgericht soll nun a) klären, ob die Klägerinnen tatsächlich auf die Auskunft angewiesen sind b) klären, ob die Eltern die Auskunft zum Zweck der Information der Klägerinnen verlangen c) die nötige Interessenabwägung vornehmen.(S.25)

 

 

 

 

TV-Tipp: Kinder, Eltern, Spendersuche

In den letzten Wochen gab es zwei besonders gelungene Beiträge im deutschen Fernsehen über erwachsene Menschen, die mithilfe einer Samenspende gezeugt wurden und die im Verein „Spenderkinder“ aktiv sind.

Dies ist zum einen die Sendung „Anonym gezeugt“ im Rahmen der Reihe „Menschen Hautnah“ des WDR „, wo es vor allem um Anja und Sunny geht.

http://www1.wdr.de/fernsehen/dokumentation_reportage/menschen-hautnah/sendungen/anonymgezeugt102.html

Zum anderen gab es die Talkshow „Markus Lanz“, wo Sarah Pienkoss ihre Geschichte noch einmal erzählt.

http://www.zdf.de/ZDFmediathek/beitrag/video/2332044/Markus-Lanz-vom-19.-Februar-2015#/beitrag/video/2332044/Markus-Lanz-vom-19.-Februar-2015 (ab. ca. 52 Min.)

Beide Beiträge geben den Frauen Zeit, ihre persönlichen Geschichten ausführlich zu erzählen und sie tun es eloquent und reflektiert. Die Berichte sind emotional berührend und es werden verschiedene, auch starke Gefühle sichtbar. Anders als in vielen anderen Medienberichten, in denen das „Recht auf Kenntnis der Abstammung“ ja zuweilen sehr abstrakt bleibt, wird hier das persönliche Erleben plastisch berichtet, die Beziehung zu den Eltern, insbesondere zum DI-Vater, kriegt beides Mal Raum. Die Reproduktionsmediziner und deren Position erscheinen im ersten Beitrag rückständig und einer lässt sich nur ausgepixelt filmen. Im zweiten Beitrag wird der Umdenkungsprozess deutlich, von der Geheimhaltung damals zur Aufklärungsempfehlung heute.

Uns DI-Familien mit jüngeren Kindern wird klar, dass es recht verschiedene DI-Generationen sein müssen, die heute über die Samenspende sprechen. Auf der einen Seite die Kinder der ersten DI- Generation, die nicht oder spät aufgeklärt wurden, Eltern, die eher verdruckst mit der Samenspende umgingen und für heutige Eltern nicht zur Identifikation einladen; sie bleiben entweder zu schemenhaft oder wirken schuldbeladen. Mit Reproduktionsmedizinern, die zur Geheimhaltung rieten und gegen die man heute mit Gerichtsprozessen angehen muss, um dann von ihnen immer noch keine Informationen zum Spender zu erhalten.

Auf der anderen Seite Familien wie im DI-Netz: die heutige Generation der Eltern scheint uns schon viel selbstbewusster und offener mit der Samenspende umzugehen. Die Kinder wachsen selbstverständlicher mit dem Wissen um die Samenspende auf. Die Reproduktionsmediziner zeigen sich aufgeschlossener und machen Zugeständnisse zur Datenherausgabe.
– Weht bereits ein anderer Wind?