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Bundestagswahl: Parteien äußern sich zur Reproduktionsmedizin

DI-Netz hat gemeinsam mit anderen Organisationen – der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKiD, dem reproduktionsmedizinischen Arbeitskreis Donogene Insemination und dem Verein „Wunschkind e.V.“ – Wahlprüfsteine an die Bundesparteien geschickt. Wir wollten wissen, welche Positionen sie zu anstehenden Fragen der Reproduktionsmedizin vertreten.

Zunächst erkundigten wir uns, ob Nachbesserungsbedarf beim gerade verabschiedeteten Samenspenderregistergesetz gesehen wird und wir fragten noch nach weiteren offenen  Regelungslücken im Bereich Samenspende allgemein. Darüber hinaus wurden die Parteien gefragt, inwiefern sie die Einführung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes, eine Aktualisierung des Embryonenschutzgesetzes sowie des Familienrechts in Deutschland für sinnvoll halten. Eine der Fragen war, wie sie zur Legalisierung der Eizellspende stehen.

Hier nun die Antworten der Parteien CDU/CSU und SPD, der Grünen, der Linken und der FDP (die AFD beantwortete unsere Fragen nicht):


Was sagt die CDU/CSU?

Die CDU/CSU bezeichnet sich als offen für „Ausweitungsmöglichkeiten“ des Spenderregisters und für „Nachbesserungen, (…) etwa im Bereich der privaten Samenspende und bei dem Auskunftsrecht gegenüber ausländischen Samenbanken„. Gegenüber der Eizellspende äußert sich die CDU/CSU negativ und kritisiert diese in einem Zug mit der Leihmutterschaft: „Die Technisierung der Fortpflanzung etwa durch Eizellspende und Leihmutterschaft birgt erhebliche Risiken und Gefahren für das Kind, aber auch für die Frauen und verstößt gegen fundamentale Wertnentscheidungen unserer Rechtsordnung.“ (Die Parallelisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft wird leider nicht näher begründet.) Weiter heißt es: „Notwendige Regelungen im Familien-, Personenstand-, Unterhalts- und Staatsbürgerschaftsrecht dürfen keine Anreize zur Umgehung der Verbote von Fortpflanzungstechniken schaffen.“

Lesen Sie hier die vollständige Antwort der CDU/ CSU….


Was sagt die SPD?

Die SPD sieht dringenden Bedarf für eine breitere gesellschaftliche Debatte und die Notwendigkeit, die rechtlichen Rahmenbedingungen der Fortpflanzungsmedizin in Deutschland insgesamt zu prüfen.“ Die SPD werde „diese Diskussion in der kommenden Legislaturperiode vorantreiben.“ Sie will sich für ein modernes Abstammungsrecht einsetzen, das der neuen Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen Rechnung trägt. Dafür sei der jüngste Abschlussbericht des AK Abstammung aus dem Justizministerium eine wichtige Grundlage, das Embryonenschutzgesetz biete keine ausreichenden Antworten auf aktuelle Fragen. – Die SPD wendet sich ausdrücklich gegen eine Stigmatisierung der Betroffenen: „Es wäre auch für die Entstigmatisierung der Fremdsamenspende wichtig, mehr über ihre psychosoziale Dimension zu wissen (…).“ Zur Eizellspende äußert sich die SPD nicht.

Lesen Sie hier die vollständige Antwort der SPD….


Was sagen die GRÜNEN?

Die Grünen bezeichnen das neue Samenspenderregistergesetz als „Schritt in die richtige Richtung„, sie sehen aber eine Reihe von Regelungslücken (wenig Hilfe für Altfälle, Ausschluss der Anerkennung des Samenspenders als rechtlicher Vater, Vaterschaftsanfechtung nach privater Samenspende, keine Möglichkeit zur Halbgeschwistersuche, fehlende Härtefallregelung, kein geordnetes Kontaktverfahren für Spender und Kind, fehlende Begrenzung der Zahl der Schwangerschaften pro Spender). Es brauche Regelungen für Altfälle und für die private Samenspende.  Die Erarbeitung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes wird begrüßt, wobei dann auch die noch ungeregelte Embryonenspende geregelt werden könnte. Die Grünen fordern ein neues Rechtsinstitut der „Elternschaftsvereinbarung“, die bereits mit der Empfängnis die rechtlichen Elternpositionen festlegt. Mehr-Eltern-Konstellationen werden akzeptiert. Die Eizellspende sei „in der vergangenen Wahlperiode im Deutschen Bundestag kein Thema gewesen„, man sehe daher keinen „Grund, weshalb das bestehende Verbot in der nächsten Wahlperiode in Frage gestellt werden sollte.

Lesen Sie hier die vollständige Antwort der Grünen…


Was sagen DIE LINKEN?

DIE LINKE begrüßt die Einrichtung des Samenspenderregisters, sie kritisiert aber dass der Samenspender nachträglich nicht als rechtlicher Vater anerkannt werden könne. Das Auskunftsrecht solle es auch für die Enkelgeneration und schon ab dem 14. Lebensjahr geben. Grundlegende persönliche Eigenschaften des Samenspenders sollten standardmäßig im Samenspenderregister gespeichert werden. Eine Fußnote im Geburtenregister biete eine Lösung für diejenigen Menschen, die durch ihre Eltern nicht über die Samenspende informiert wurden.  Bei der Embryonenspende fehle eine rechtliche Regelung, hinsichtlich der Eizellspende sei die Diskussion bei den Linken noch nicht abgeschlossen. Zu einzelnen Aspekten der Fortpflanzungsmedizin gebe es bei den Linken unterschiedliche Auffassungen. Es brauche eine „intensive Debatte inner- und außerhalb des Parlaments.“

Lesen Sie hier die vollständige Antwort der LINKEN…


Was sagt die FDP?

Die FDP war in der letzten Wahlperiode noch nicht an der parlamentarischen Debatte zum Samenspenderregistergesetz beteiligt, schickte uns auf unsere Wahlprüfsteine jedoch die ausführlichste Antwort mit einer umfassenden Begründung:

Beim neuen Samenspenderregister sieht die FDP ebenfalls die Notwendigkeit eines freiwilligen Registers für die Halbgeschwistersuche, die Notwendigkeit der Begrenzung der Anzahl der durch einen Samenspender gezeugten Kinder, sowie der Aufnahme von Daten zur Embryonenspende in das Spenderregister und der Aufnahme von Altdaten, auch um die „ohnehin schon durch Bürokratie belasteten Praxen diese Last abzunehmen„. Elternschaftsvereinbarungen sollten bereits vor einer Empfängnis getroffen werden können. Die FDP weist darauf hin, „dass sich die Aufklärungsquote von Gametenspenden erst verbessern wird, wenn die Samenspende als legitime Familienbildung gesellschaftlich anerkannt und ausreichend gesetzlich geregelt ist.“

Grundsätzlich wird betont: “ Wir Freien Demokraten fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Allen Menschen muss unabhängig vom Familienstand der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten gegeben werden. Das Kindeswohl hängt von der Liebe der Eltern ab, nicht von der Art der Zeugung. Der Staat sollte sich aus den intimen Angelegenheiten heraushalten und freie Entscheidungen ermöglichen, die ethisch vertretbar sind.“ Die Interessenabwägung unter den Beteiligten wird betont. – Die FDP findet, dass Eizellspende und nicht-kommerzielle Leihmutterschaft unter Auflagen erlaubt werden sollten. Frauen dürften „nicht in die Illegalität getrieben werden„. Die Embryonenspende sollte möglich sein, ohne dass es zur Kommerzialisierung komme.

Lesen Sie hier die vollständige Antwort der FDP …

 

 

 

Wahlprüfsteine 2017

am 24. September ist Bundestagswahl! – Es lohnt sich, vorab die Parteiprogramme zu studieren und auch mit Politikern zu diskutieren. Darüber hinaus bieten „Wahlprüfsteine“ den Verbänden eine gute Möglichkeit, konkretere Fragen an die Parteien zu stellen. Die Antworten auf solche Anfragen können Wählerinnen und Wählern zur Orientierung vor der Wahl dienen.

DI-Netz hat bereits vor der Bundestagswahl 2013 Wahlprüfsteine  an die Parteien verschickt (u.a. mit der Frage nach einem Spenderregister, das ja jetzt umgesetzt wird). Damals haben wir von allen Parteien eine Antwort erhalten und konnten diese auf unserer Webseite veröffentlichen.

Zur Bundestagswahl 2017 hat das DI-Netz wieder Wahlprüfsteine auf den Weg gebracht, diesmal gemeinsam mit drei weiteren Organisationen – der Deutschen Gesellschaft für Kinderwunschberatung „BKiD“, sowei „Wunschkind e.V.“ dem Verein von Selbsthilfegrupen bei ungewollter Kinderlosigkeit und dem reproduktionsmedizinischen „Arbeitskreis Donogene Insemination“.

Wir möchten auch diesmal wissen, welcher Regelungsbedarf im Feld der Reproduktionsmedizin bzw. im Familienrecht gesehen wird und welche Themen die Parteien angehen wollen.

Befragt haben wir die Bundesparteien CDU/CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen, DIE LINKE und die AFD. Alle Antworten werden wir auf der Webseite umgehend veröffentlichen.

Wir haben der Politik acht Fragen gestellt:

1. Welchen offenen rechtlichen Regelungsbedarf hinsichtlich des neuen Samenspenderregisters sehen Sie?

2. Welchen weiteren gesetzlichen Regelungsbedarf sehen Sie sowohl hinsichtlich der medizinisch assistierten Samenspende als auch hinsichtlich der Samenspende im privaten System, bei der der Spender den Wunscheltern bekannt ist.

3. Welche Maßnahmen zur Sicherstellung einer psychosozialen Versorgungsstruktur im Rahmen der Reproduktionsmedizin sind aus Ihrer Sicht erforderlich?

4. Sehen Sie gesetzlichen Regelungsbedarf hinsichtlich der Eizellspende, die von deutschen Paaren im Ausland in Anspruch genommenwird? Halten Sie eine Legalisierung der Eizellspende in Deutschland unter bestimmten Bedingungen für sinnvoll? Wenn ja, welche Bedingungen wären dies?

5. Welchen gesetzgeberischen Handlungsbedarf sehen Sie hinsichtlich der Embryonenspende in Deutschland?

6. Sehen Sie weiteren Regelungsbedarf im Bereich des Medizinrechtes hinsichtlich der Reproduktionsmedizin, wie zum Beispiel eine explizite Absicherung der Zulässigkeit der Behandlung von lesbischen und alleinstehenden Frauen. Braucht es aus Ihrer Sicht eine Überarbeitung des Embryonenschutzgesetzes, und/oder die Einführung eines Fortpflanzungsmedizingesetzes?

7. Welchen familienrechtlichen Regelungsbedarf sehen Sie im Bereich der Reproduktionsmedizin und unkonventioneller Familienformen?

8. Welchen Forschungsbedarf sehen Sie hinsichtlich der psychosozialen Situation der Familienbildung mit Hilfe Dritter?

Bundestagswahl 2017: Was wollen die Parteien?

Am 24. September ist wieder Wahl! Wir von DI-Netz verfolgen, ob und was die einzelnen Parteien hinsichtlich der weiteren gesetzlichen Regulierung der Reproduktionsmedizin, der Familiengründung mit Hilfe Dritter und der Spendersamenbehandlung im speziellen tun wollen.

Um darüber Genaueres zu erfahren, hat DI-Netz sogenannte Wahlprüfsteine vorbereit, wie schon bei der letzten Wahl 2013. Doch man kann sich auch etwas in den Wahlprogrammen umsehen (externer Link zu allen Programmen: https://bundestagswahl-2017.com/wahlprogramm/) .

Welche Ankündigungen finden wir in den Parteiprogrammen?

Die Parteien machen in ihren Wahlprogrammen verschiedene Aussagen zu ihrem Familienbild und zum Familien- und Abstammungsrecht, und sie werden unterschiedlich deutlich in ihren Aussagen zum speziellen Gebiet der modernen Reproduktionsmedizin.

Wir haben die Aussagen hier gesammelt:

CDU/CSU

Die Union skizziert in ihrem Wahlprogramm das eigene Familienbild. Ergänzend gibt es eine Aufzählung möglicher Modelle, wie Menschen miteinander leben. Konkrete eigene politische Maßnahmen werden (noch) nicht daraus abgeleitet:

„Wir schreiben Familien kein bestimmtes Familienmodell vor. Wir respektieren die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens. Menschen sollen selbst entscheiden, wie sie ihr Zusammenleben gestalten und ihren Alltag organisieren. Verantwortung wird auch in anderen Formen des Zusammenlebens, die auf Dauer angelegt sind, übernommen und gelebt: Zum Beispiel durch Alleinerziehende, Patchwork- Familien, nicht-eheliche Lebensgemeinschaften und die bestehenden eingetragenen Lebenspartnerschaften.“

SPD

Im Wahlprogramm der SPD gibt es einen eigenen Absatz, der mit „Vielfältige Lebensrealitäten anerkennen“ überschrieben ist. Für die Rolle der eigenen Partei werden aktive Verben genutzt wie „wir unterstützen“, „wir setzen uns (…) ein“. Hinsichtlich des Abstammungsrechts wird angekündigt, dass man sich für „ein modernes Abstammungsrecht“ einsetzen will, das den „neuen Familienkonstellationen“ Rechnung trägt. Es werden (mehr als bei der CDU) zehn solcher Konstellationen aufgezählt. Die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare wird benannt:

Wir unterstützen Familien in ihrer Vielfalt. Das Verständnis von Familie in Deutschland wird breiter: Familie ist dort, wo Menschen dauerhaft Verantwortung füreinander übernehmen. Wir werden daher die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare öffnen und wollen die Ehe für alle. Das schließt das Adoptionsrecht ausdrücklich mit ein. Wir wollen ein modernes Familienrecht, das die Vielfalt von Familien widerspiegelt. Familien mit verheirateten, unverheirateten oder gleichgeschlechtlichen Paaren; getrennt, gemeinsam oder allein Erziehende; Stieffamilien, Regenbogenfamilien, Patchworkfamilien oder Pflegefamilien. Wir sorgen für Klarheit in all diesen Konstellationen, indem Rechte und Pflichten eindeutig definiert werden. Das Wohl der Kinder muss dabei immer im Mittelpunkt stehen. (…) Die Vielfalt der heutigen Familienkonstellationen und der wissenschaftliche Fortschritt in der Reproduktionsmedizin führen dazu, dass die biologischen Eltern immer häufiger nicht die sozialen Eltern sind. Deshalb setzen wir uns für ein modernes Abstammungsrecht ein, das diesen neuen Konstellationen Rechnung trägt.“

Bündnis 90/ Die Grünen

Die Grünen benennen ebenfall die heutige Vielfältigkeit von Familien. Die Erläuterungen im Absatz zum Familienbild fallen länger aus, und es wird ein fehlender klarer rechtlicher Rahmen und Absicherung moniert. Das familienrechtliche Ziel der Grünen und das eigene Engagement werden explizit genannt: „Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln (…)“, „Wir unterstützen…“. Ein neu zu schaffendes Rechtsinstitut für soziale Elternschaft wird erwähnt – die „elterliche Mitverantwortung“.

„Familien sind inzwischen so vielfältig wie das Leben selbst: Es gibt verheiratete Paare mit Kindern, Alleinerziehende, Patchwork-Familien, nichteheliche Familien oder Regenbogenfamilien. Wir Grünen machen eine Politik, die Familien in allen Formen und Modellen unterstützt. Deshalb sorgen wir dafür, dass die finanzielle Absicherung von Kindern und Familien nicht länger vom Lebensmodell der Eltern abhängt. Den sozialen Eltern, also Menschen, die wie in vielen Patchwork-Familien langfristig Verantwortung für ein Kind übernehmen, ohne dessen leibliche Eltern zu sein, fehlt ein rechtlicher Rahmen für ihre Familienform. Und das, obwohl sie feste Wegbegleiter*innen ihrer Kinder sind (…)

Für ein modernes Familienrecht – Alle Familienformen anerkennen und schützen

Familie ist da, wo Kinder sind. Über 30 Prozent aller Familien, in denen minderjährige Kinder leben, sind keine Ehen, sondern: nichteheliche Familien, Alleinerziehende mit Kind, Patchwork-Familien oder Regenbogenfamilien. Für viele dieser heute selbstverständlichen Familienkonstellationen gibt es keinen klaren Rahmen, der ihre Rechte benennt und ihre Familienform absichert. Wir wollen das Familienrecht weiterentwickeln und für diese Familien ein Angebot schaffen, das sie in ihrer Verantwortung als Eltern rechtlich stärkt (Rechtsinstitut der elterlichen Mitverantwortung). Damit wollen wir klar regeln, welche Rechte und Pflichten, beispielsweise in der Schule, beim Arztbesuch oder im Alltag, aber auch welche Verantwortung für das Kind die leiblichen und die nicht leiblichen, aber miterziehenden Eltern haben.

DIE LINKE

Die Vielfalt der Familien wird bei den Linken ebenfalls benannt. Sie fordern eine Gleichstellung und eine Anerkennung aller Familienformen, und sie wenden sich ausdrücklich gegen einen privilegierten Status der Ehe. Reproduktionsmedizin wird explizit erwähnt, denn sie soll auch gleichgeschlechtlichen Paaren zur Verfügung stehen. Auch Mehrelternkonstellationen von bis zu vier Personen sollen erlaubt sein.

„Wir wollen, dass vielfältige Lebensweisen rechtlich gleichgestellt werden und setzen uns für ihre gesellschaftliche Akzeptanz ein. Dazu gehört, die Ungleichbehandlung von eingetragenen Lebenspartnerschaften zu überwinden. Bisher sind Ehe und Lebenspartnerschaft in den Pflichten gleichgestellt (z.B. gegenseitige Unterhaltspflichten). Doch gleiche Rechte, wie z.B. ein gemeinsames Adoptionsrecht, haben sie nicht. Die Anerkennung aller Familienformen und Lebensentwürfe ist für uns leitendes Prinzip. Überkommene Privilegien der Ehe sollen überwunden werden. Deswegen sollen der besondere Schutz und die Förderung durch Staat und Gesellschaft in Zukunft nicht Ehepaaren, sondern denjenigen zu Gute kommen, die mit Kindern oder Pflegebedürftigen leben und Kompensation für daraus erwachsende Nachteile benötigen. (…)

Wir wollen die Öffnung der Ehe und das volle Adoptionsrecht für Alle. Reproduktionsmedizin muss auch nichtverheirateten und lesbischen Frauen zur Verfügung stehen. – Kinder brauchen Erwachsene, die sich liebevoll und verbindlich um sie kümmern. Eltern und Sorgeberechtigte sind nicht unbedingt dieselben Personen. Wir setzen uns dafür ein, dass auch (bis zu) vier Personen Eltern für ein Kind sein können, also in Co-Elternschaft das gemeinsame Sorgerecht innehaben. Neben den Pflichten betrifft das auch Rechte wie Kinderfreibeträge und Rentenansprüche. Diese vertraglich zu regelnde Verbindlichkeit betrifft umgekehrt auch Rechte des Kindes gegenüber allen Elternteilen, wie Unterhaltsanspruch und Erbe.“

FDP

Auch die FDP setzt sich für die Änderung des Familienrechts ein. Sie fordert neben der Ehe das Rechtsinsitut der „Verantwortungsgemeinschaft“, mit „flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme“. Der Reproduktionsmedizin ist ein eigener Absatz gewidmet. Anders als bei den übrigen Parteien wird darin die Legalisierung von Eizellspende und Leihmutterschaft ausdrücklich genannt.

Wir Freie Demokraten setzen uns für die Einführung der Verantwortungsgemeinschaft als Rechtsinstitut neben der Ehe ein. In einer Zeit, in der traditionelle Familienstrukturen gerade im Alter nicht immer tragen, wächst der Bedarf an neuen Formen gegenseitiger Absicherung – jenseits von Verwandtschaft oder Liebesbeziehungen.Deshalb wollen wir im Bürgerlichen Gesetzbuch neben der Ehe das Rechtsinstitut der Verantwortungsgemeinschaft mit flexiblen Bausteinen der Verantwortungsübernahme zwischen zwei oder mehreren Personen einführen. Um Rechtsklarheit gegenüber anderen Verpflichtungen zu wahren, dürfen diese Personen weder verheiratet, verpartnert oder in gerader Linie miteinander verwandt sein. Begünstigungen durch den Staat im Steuer- und Sozialrecht, aber auch im Erbrecht, sind nur gerechtfertigt, wenn die Partner volle Unterhalts- und Einstandspflichten wie Ehepaare übernehmen.

Chancen der Reproduktionsmedizin für die Familiengründung nutzen

Wir Freie Demokraten fordern einen offenen Umgang mit den Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin. Allen Menschen muss unabhängig vom Familienstand der Zugang zu reproduktionsmedizinischen Angeboten gegeben werden. Das Kindeswohl hängt von der Liebe der Eltern ab, nicht von der Art der Zeugung. Der Staat sollte sich aus den intimen Angelegenheiten heraushalten und freie Entscheidungen ermöglichen, die ethisch vertretbar sind. Eizellspenden und nicht-kommerzielle Leihmutterschaft sind in vielen Staaten der EU bereits legal und sollten auch in Deutschland unter Auflagen erlaubt werden.

AFD

Das Statement der AFD zum eigenen Familienbild fällt kurz und knapp aus, man grenzt sich mit einer Negativaussage ab:

„Wir lehnen alle Versuche ab, den Sinn des Wortes „Familie“ in Art. 6 Abs. 1 Grundgesetz auf andere Gemeinschaften auszudehnen und der Familie auf diesem Wege den besonderen staatlichen Schutz zu entziehen.“

 

BMJV: Arbeitskreis „Abstammungsrecht“ legt Abschlussbericht vor

Im Februar 2015 hat das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz einen Arbeitskreis „Abstammungsrecht“ eingerichtet. Elf namhafte Sachverständige aus den Bereichen Recht, Ethik und Psychologie [1] sollten gemeinsam klären, inwiefern das derzeitige deutsche Abstammungsrecht angesichts der Vielfalt von Familienkonstellationen und der Entwicklungen in der modernen Reproduktionsmedizin reformbedürftig ist.

Der Arbeitskreis tagte in zehn Sitzungen, an denen auch Vertreter aus mehreren Bundes- und Landesministerien teilnahmen;  Experten aus Betroffenenverbänden wurden nicht beteiligt. Am 4. Juli 2017 hat der Arbeitskreis nun seinen 134 Seiten starken Abschlussbericht  „Abstammungsrecht“ offiziell an den Bundesjustizminister übergeben.

Wie zu erwarten war, stellt das Expertengremium vielfachen Reformbedarf für das geltende Abstammungsrecht fest. Es wurden insgesamt 91 Thesen zur Modernisierung des Abstammungsrechts vorgelegt.

Familienrechtlicher Regelungsbedarf im Bereich Samenspende

Besonders interessant sind für Familien, die mit Hilfe einer Samenspende gegründet werden, die Änderungsempfehlungen in den Berichtsabschnitten B.II bis III, sowie E, F.I und teilweise F.II. Diese machen zusammen beinahe die Hälfte der gesamten Reformvorschläge aus.

  • Grundgedanke

Die Reformvorschläge des Arbeitskreises sind von der Grundidee getragen, eine rechtliche Gleichsetzung von „Wunschelternschaft“ mit „natürlicher Elternschaft“ zu erreichen. Neben der Mutter wird die zweite Elternstellung mit der Person besetzt, die mit der Partnerin in die Samenspende eingewilligt hat. Die Erklärung, die Elternschaft zu übernehmen, tritt rechtlich an die Stelle des natürlichen Zeugungsaktes. Intendierte und faktische Verantwortungsübernahme werden damit betont.

  • Sprachregelungen

Die Experten plädieren für eine präzisere Sprache. Vor allem der mißverständliche Begriff „Abstammung“ sollte abgschafft werden und durch die genauere Bezeichnung „rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung“ ersetzt werden. Diese etwas sperrige Bezeichnung macht deutlich, dass es bei der rechtlichen Bestimmung von Eltern-Kindschaftsverhältnissen eben nicht automatisch nur auf die genetische Abstammung ankommt, sondern auch andere Leitprinzipien (intendierte und tatsächliche Verantwortungsübernahme, Verursacherprinzip) als Zuordnungskritierien Gewicht haben (S. 21-30).

Auch findet sich am Schluss des Berichtes ein Glossar, das circa zwanzig Begriffe klärt (S. 103-106). So werden statt (ab-)wertender Begriffe wie  „Wunscheltern“ oder „Bestelleltern“ neutralere Termini wie „intendierte Eltern“ genutzt. Verschiedene Aspekte von Elternschaft werden explizit durch unterschiedliche Adjektive gekennzeichnet.

  • Einführung der Mit-Mutterschaft

Im Sinne der Gleichstellung plädiert die Expertenkommission dafür, Co-Mütter in einer lesbischen Partnerschaft von vornherein als zweiten Elternteil („Mit-Mutter“ ) anzuerkennen, so wie auch weiterhin ein Ehemann als „richtiger“ Vater eines mit Samenspende gezeugten Kindes gelten soll (Thesen 50-52).

Das Zwei-Eltern-Prinzip soll allerdings weiterhin Leitprinzip sein (Thesen 62-63, S. 75-76). Eine rechtliche Mehr-Eltern-Konstellation („multiple Elternschaft“ – etwa mit bis zu vier Elternteilen, wie dies juristisch möglich ist in den Niederlanden oder British Columbia (Kanada) –  soll es nicht geben.

  • Samenspende im privaten System

Samenspende im privaten System (sog. „Bechermethode“, durch Spender aus dem Bekanntenkreis, aus Internetforen, von ausländischen Samenbanken privat bezogen) sollte der Samenspende im medizinischen System hinsichtlich der Elternstellung gleichgestellt werden, sobald ein ausdrücklicher Verzicht des Spenders auf die rechtliche Vaterposition und eine Einwilligung der intendierten Eltern vorliegt. (These 48).

Ungeklärt bleibt allerdings, ob eine private Insemination mit Spendersamen überhaupt mit dem Medizin- und Geweberecht vereinbar ist (S.65)

  • Das Recht des Kindes auf Kenntnis der Abstammung und Einrichtung eines Spenderregisters

Die kurz gehaltenen Berichtsabschnitte zum Auskunftsrecht der Kinder und zum Spenderregister (Thesen 64-74) decken sich ziemlich mit den Regelungen, die im Zuge der Gesetzgebung des Samenspenderregistergesetzes (SaRegG) gerade erst verabschiedet wurden. Der Ausschluss des Samenspenders als rechtlicher Vater und die Einrichtung eines zentralen Samenspenderregister sind mit dem neuen Gesetz bereits beschlossen.

Die Empfehlungen der Expertenkommission gehen über das SaRegG hinaus, indem das Spenderregister auch für Bekannte Spender im medizinischen System (These 48.3) und für die Embryonenspende (These 74) geöffnet werden soll.

Als weitere Maßnahmen, die beim SaRegG (noch) nicht umgesetzt wurden, werden genannt:

– In Altfällen, in Fällen privater Samenspende und  bei Samenspenden aus dem Ausland sollte eine freiwillige Registrierung im zentralen Register möglich gemacht werden (These 65, S. 79-80).

– Der Samenspender sollte zwar keinen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Identität der Kinder haben, aber er sollte erfahren dürfen, wie viele Kinder aus seiner Spende hervorgegangen sind (Thesen 72-73, S. 81).

– Außerdem sollte das Auskunftsverfahren durch dezentrale Beratungsangebote begleitet werden, die von unterschiedlichen vorhandenen Beratungsstellen bereitgestellt werden sollten (These 71, S. 81).

– Dem Kind sollte der Anspruch einer statusunabhängen Feststellung der genetischen Vaterschaft des Samenspenders eingeräumt werden, da es theoretisch immer möglich sein kann, dass es doch nicht von dem registrierten Samenspender abstammt. Für diese Klärung ist der Vortrag eines Anfangsverdachtes notwendig. (Thesen 84 – 85, S. 86)

  • Eingeschränktes Anfechtungsrecht des Kindes

Das Kind soll die rechtliche Vaterschaft wegen nicht bestehender genetischer Abstammung weiterhin anfechten können (These 45). Dies allerdings nur unter bestimmten Bedingungen: wenn a) der Vater gestorben ist, b) der Vater eine schwere Verfehlung gegenüber dem Kind begangen hat, c) wenn der Vater einverstanden ist oder d) keine gefestigte sozial-familiäre Beziehung entstanden ist.

Hierzu gab es im Arbeitskreis allerdings einige Gegenstimmen, die das Anfechtungsrecht lieber gänzlich abgeschafft oder anders ausgestaltet sähen.

Aussicht

In den politischen Diskussionen der letzten Monate wurde immer wieder auf die Ergebnisse  des Arbeitskreises im Sommer 2017 verwiesen, die man noch abwarten wolle. Der Abschlussbericht wurde „in der Fachwelt und in der Öffentlichkeit mit großer Spannung erwartet“, so Justizminister Maas. ( – Die allererste Medienresonanz auf den Bericht fiel allerdings noch eher schwach aus.)

Maas (SPD) lobte den Bericht des Arbeitskreises als eine „großartige Orientierungs- und Entscheidungshilfe“. Die familienpolitische Sprecherin Brantner von den GRÜNEN kommentierte den Bericht gegenüber N24,  die SPD werde „auf den letzten Metern in der Familienpolitik modern“, die Mit-Mutterschaft sei überfällig.

DI-Netz befürwortet die Empfehlungen der Experten – die rechtliche Bewertung der Samenspende, die Rollen der Beteiligten und die Ansprüche an ein Spenderregister sowie die konkreten Regelungsvorschläge entsprechen ganz unseren Forderungen. Das Ergebnis des Arbeitskreises ist ein tatkräftiger und gelungener Ordnungsentwurf für das deutsche Familienrecht. Wenn alle Vorschläge der Expertenkommission tatsächlich umgesetzt würden, wäre das für Deutschland ein beträchtlicher Fortschritt – vielleicht weniger eine „moderate Fortentwicklung“ (S.14) als doch eine „Revolution“, wie die Süddeutsche Zeitung titelte.

Seit der Veröffentlichung des Berichtes gab es allerdings auch schon einige kritische Stimmen:

Die rechtspolitische Sprecherin der CDU/CSU Winkelmeier-Becker bezeichnete die Umbenennung des Abstammungsbegriffes in „rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung“ als „grotesk“ und nicht nah genug an der Alltagssprache. Sie betonte, dass für sie weiterhin „das christliche Menschenbild der entscheidende Maßstab“ sei. Bei der „sogenannten Mit-Mutterschaft“ sei die Union „sehr zurückhaltend“. Winkelmeier-Becker räumte ein, „wenn bestehende Auskunftsmöglichkeiten [des Spenderregisters] ausgeweitet werden können“, sei man „dafür offen“.

Der Lesben-und Schwulenverband LSVD begrüßte zwar, dass jetzt konkrete Reformvorschläge vorliegen, ihm gehen sie allerdings „nicht weit genug“, sie seien auch zu „vage“. Der LSVD fordert weiterhin ein Rechtsinstitut der Elternschaftsvereinbarung, die bereits vor der Zeugung getroffen wird, sowie einen verbindlichen rechtlichen Rahmen für Mehrelternfamilien von bis zu vier Elternpersonen. Mit ähnlichen Positionen äußerten sich Katja Suding und Michael Kauch von der FDP.

Wolfgang Janisch, Journalist der „Süddeutschen Zeitung“ bezeichnete die Reformvorschläge hinsichtlich der Elternverantwortung als „grundvernünftig“, zugleich seien sie „ärgerlich“, da sie „ins Nirwana der endenden Legilaturperiode geschickt“ würden. Eine Expertise, die die Debatte voranbringt, hätte einen umfassenderen Auftrag benötigt, um entschlossener auch die brisanteren Fragen von Eizellspende und Leihmutterschaft anzugehen, so Janisch.

Am Ende ist in der Tat nicht klar, was aus den Empfehlungen des Arbeitskreises eigentlich werden wird. Die jetzige Legislaturperiode ist bald vorbei, und es ist offen, wie sehr sich der zukünftige Gesetzgeber eine konsequente Umsetzung dieser Expertise zur Aufgabe machen wird.

 

[1] Dr M.-M. Hahne, Prof. Dr. Dr. D. Coester-Waltjen, Prof. Dr. R. Ernst, Prof. Dr. T. Helms, Prof. Dr. M. Jestaedt, Dr. H. Kindler, Dr. T. Meysen, Prof. Dr. U. Sachsofsky, Prof. Dr. E. Schumann, W. Schwackenberg, Prof. Dr. C. Woopen

Gesundheitsausschuss: doch 110 Jahre für Altfälle vor 2008! (Gesetzgebung, Teil 17)

Heute, am 17.5.,  legte der Gesundheitsausschuss des Bundestages seine Beschlussempfehlung für das neue Samenspenderregistergesetz vor. Gute Nachricht: Es wird eine Änderung der Formulierung in der Übergangsregelung vorgeschlagen. Auch die Altdaten aus der Zeit vor Inkraftreten des TPGs (5.4.2008) sollen nun 110 Jahre aufbewahrt werden – wenn auch nicht im zentralen Samenspenderregister so doch wenigstens beim Arzt bzw. der Samenbank.

Für eine Abicherung der sogennanten Altfälle hatte sich DI-Netz in den letzten Monaten besonders stark gemacht (wie sich in unserer Nachrichtenreihe zur „Gesetzgebung“ unter „Aktuelles“ rechts auf dieser Webseite zurückverfolgen läßt).  Gerade gestern schickten wir den Abgeordneten noch ein weiteres Mal unsere Forderung hinsichtlich der Altfälle. Wir freuen uns sehr, dass unser Anliegen Gehör gefunden hat.

Noch ein weiterer Änderungsvorschlag des Gesundheitsausschuss ist übrigens, dass Spenderdaten nach Auskunftserteilung doch nicht gelöscht werden.

Morgen, am 18.5. (19.5. 4:45 – 5:15 Uhr) sind die zweite und dritte Lesung im Bundestagsplenum, also die letzten beiden Beratungen, in der 234. Sitzung des Bundestages. Dann erfolgt die Abstimmung über das Gesetz.

Ebenfalls wird im Bundestag noch über den alternativen Gesetzesantrag der GRÜNEN entschieden.

 

Erstmals Urteil direkt gegen Samenbank: Betreiber muss Spenderidentität nennen

Am 27. April 2017 hat das Amtsgericht Berlin-Wedding eine Samenbank dazu verurteilt, einem 8-jährigen Mädchen Auskunft über die Identität des Mannes zu übermitteln, mit dessen Samen es 2008 gezeugt worden ist (AG Wedding Urteil v. 27.04.2017 – 13c 259/16).

Die Spenderdaten, die die Samenbank mitteilen muss, sind Vor- und Nachname des Mannes, Geburtsdatum, Personalausweisnummer und Anschrift zum Zeitpunkt der Spende.

Das Gericht sprach dem Kind – gesetzlich vertreten durch seine Eltern – den Erhalt der Spenderdaten zu und folgte in seiner Begründung der höchstrichterlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 28.01.2015 – XII ZR 201/13) und einem jüngeren Urteil aus Hannover (AG Hannover, Urteil vom 17.10.2016 – 432 C 7640/15).

Neu an dem aktuellen Urteil ist, dass nicht der behandelnde Arzt sondern ausschließlich die Samenbank zur Auskunft verklagt wurde.

Zum Prozessverlauf:

Die Eltern des Kindes hatten zunächst außergerichtlich sowohl bei der Samenbank als auch bei dem damals behandelnden Kinderwunschzentrum eine notarielle Datenhinterlegung der Spenderdaten angefragt. Beide Einrichtungen hatten dies abgelehnt, so dass sich die Eltern nach einiger Zeit für den Rechtsweg entschieden. Sie beauftragten die Rechtsanwältin Dr. Helga Müller (Frankfurt) als Prozessbevollmächtigte und beklagten die Samenbank auf Herausgabe der Daten, um den Umschlag mit den Spenderdaten danach auf Kosten der Familie bei einem Notar zu hinterlegen. Mit der Samenbank, die nicht zugleich Behandlerpraxis war, hatten die Eltern damals vor der Spendersamenbehandlung einen schriftlichen Vertrag geschlossen.

Der Beklagte brachte in dem Prozess alle klassischen Argumente vor, die bei Auskunftsverweigerungen standardmäßig genannt werden (1). So beantragte er die Klage abzuweisen, da aus seiner Sicht nicht sicher sei, dass das Kind mit der gelieferten Samenprobe gezeugt worden sei, dass der Samenspender nicht ausdrücklich auf seine Anonymität verzichtet habe und dass vor allem kein Auskunftsanspruch gegenüber der Samenbank bestünde. Ein Anspruch gegen die Samenbank sei schon deswegen ausgeschlossen, weil es eine notarielle Verzichtserklärung der Eltern gebe. Die Kläger hätten sich vorrangig an den Behandler zu halten. Bei der Güterabwägung seien die Interessen der Beklagten und des Samenspenders zu berücksichtigen. Durch das Transplantationsgesetz und das Bundesdatenschutzgesetz sei ausgeschlossen, dass Identifikationsdaten beim Notar hinterlegt werden könnten.

Im weiteren Prozessverlauf wurde noch die behandelnde Ärztin als Zeugin befragt, die dem Gericht die damaligen Abläufe schilderte und deutlich machen konnte, wie unwahrscheinlich eine Vertauschung der Samenproben in diesem Fall ist. Die Ärztin hat pünktlich zur Vorladung auch noch einigen Aufwand betrieben, die Dokumente mit der Spenderidentität für ihre eigenen Unterlagen zu beschaffen. Sie forderte die Spenderidentität zunächst aus der ehemaligen Praxis an, in der sie 2008 noch gearbeitet hatte. Doch dort lagen die Spenderdaten anscheinend auch nicht vor. Sie erhielt den Umschlag schließlich erst von der Samenbank direkt. (In der Verhandlung holte sie kurz diesen Umschlag hervor, der von der Samenbank mit einem roten Aufdruck versehen worden war: „Achtung, das mittels Fremdsperma gezeugte Kind ist die einzige Person, die nach Prüfung ihrer Identität den versiegelten Umschlag von Ihnen ausgehändigt bekommen und öffnen darf, wenn es volljährig ist.“)

Das Gericht ließ die Einwände der Samenbank gegen eine Auskunft nicht gelten und widerlegte sie in seiner Urteilsbegründung:

Laut Urteilsspruch entfaltet der Vertrag Schutzwirkung für das zu zeugende Kind. Dies gelte nicht nur für Verträge mit Behandlern sondern auch für Verträge mit einer Samenbank. Es bedürfe keines Mindestalters des Kindes, und Eltern könnten im Rahmen ihres Elternrechts in eigener Verantwortung entscheiden, wann und unter welchen Umständen sie das Kind informieren. Die Auskunft sei für den Samenbankbetreiber zumutbar, das verfassungsrechltich geschützte Recht des Kindes  auf Kenntnis der Abstammung überwiege im Falle einer Interessenabwägung. Es sei nicht erforderlich, zuerst den ärztlichen Behandler in Anspruch zu nehmen, und die Samenbank sei offenbar in der Lage, die Auskunft zu erteilen.

DI-Netz als Prozeßbeobachter

Die Kläger sind aktive Mitglieder im DI-Netz – der Deutschen Vereinigung von Familien nach Samenspende. Das DI-Netz hat den Gerichtsprozess intensiv begleitet und war bei den öffentlichen Verhandlungen als Prozessbeobachter vor Ort. Die Vorsitzende des DI-Netzes Claudia Brügge äußerte sich folgendermaßen: „Wir kennen die Familie gut und sind ganz an der Seite des Mädchens und ihrer Eltern. Als Verein haben wir ihr Auskunftsanliegen gern unterstützt. In den letzten Jahren mussten wir leider immer wieder feststellen, dass Auskunftsanfragen zwischen Samenbanken und behandelnden Praxen hin- und hergeschoben werden und Zuständigkeiten für die Auskunft geleugnet werden. Immer wieder werden Ausflüchte gesucht.“

Die Bedeutung des Urteils

Das Urteil zeigt erstens, dass sowohl behandelnde Ärzte als auch Samenbanken im Zweifelsfall Auskunft erteilen müssen. Behandler können sich bei Auskunftsklagen nicht damit herausreden, dass die Samenbank eigentlich die Auskunft erteilen müsse, andersherum die Samenbanken nicht damit, dass der Behandler stattdessen dazu verpflichtet sei (2). Wer verklagt wird, muss die Auskunft erteilen.

Zweitens zeigt das Urteil erneut, dass es tatsächlich kein Mindestalter gibt, um ein Auskunftsbegehren geltend zu machen. Mit ihren acht Jahren ist das Mädchen zwar nicht das jüngste Kind, das bisher in Deutschland die Spenderidentität erhält, denn es gibt andere Behandler und Samenbanken, die ohne Rechtsstreit schon jüngeren Kindern bzw. ihren Eltern eine Auskunft erteilt haben. Doch in den bisherigen Gerichtsverfahren waren die Kinder alle älter. Das Urteil wird also gerade den Eltern jüngerer Kinder Mut machen.

Das Gericht urteilte auch, das Kind habe zwar einen Auskunftsanspruch hinsichtlich der Identität des Spenders, ein spezieller Anspruch auf notarielle Datenhinterlegung gegen den Samenbankbetreiber bestünde allerdings nicht. Auch die Eltern hätten keinen eigenen Auskunftsanspruch sondern könnten ihn nur als gesetzliche Vertreter des minderjährigen Kindes geltend machen.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es bleibt abzuwarten, ob die zur Auskunft verurteilte Samenbank in Berufung gehen wird.

Offen geblieben

Die ursprüngliche Klage zielte übrigens auch auf eine Feststellung der Sittenwidrigkeit des Verzichts der Eltern auf Kenntnis der Abstammung, der ihnen vor einer Insemination abgefordert wird. Die Sittenwidrigkeit solcher Verträge lässt sich aus dem Grundrecht der Frau auf körperliche Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und aus dem Elternrecht (Art. 6 Abs. 1 GG) denken. Leider hat das Gericht dazu nicht Stellung genommen.

Genauso wenig Stellung genommen hat das Gericht zu dem weiteren Ziel der Klage, nämlich der Feststellung einer vertraglichen Pflicht aus Treu und Glauben auf Hinterlegung der Daten bei einem Notar.

Nach eigenen Aussagen war der Richter nicht bereit, insoweit eine Grundsatzentscheidung auszuurteilen

 

(1) vgl. DI-Netz Prozeß-Bericht BGH v. 29.1.15 Az. XII ZR 201/13;  AG Hannover 17.10.2016 – 432 C 7640/15

(2) vgl. DI-Netz Studie zur „Spendersamenbehandlung in Deutschland 2016“, in der Samenbanken und Kinderwunschzentren ganz unterschiedliche Angaben dazu machten, wie sie ihre Verpflichtungen und Abläufe hinsichtlich einer Auskunftsanfrage einschätzen (S. 16-18).

Gemeinsame Pressemitteilung von DI-Netz und BKiD: Neues Spenderregister – ohne Lösung für Altfälle und ohne Mediationsangebot? (Gesetzgebung, Teil 16)

Gemeinsame Pressemittelung von DI-Netz und BKiD zum geplanten Samenspenderregistergesetz:

Der Gesetzgeber wird in Kürze ein neues Samenspenderregister einführen, bei dem Kinder, die mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurden, auf Wunsch die Identität des Samenspenders erfahren können.

Die Deutsche Vereinigung von Familien nach Samenspende DI-Netz und die Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKiD begrüßen ausdrücklich, dass das Recht auf Kenntnis der Abstammung endlich auch für diese Gruppe von Menschen abgesichert wird. Dies ist nach über 40 Jahren Praxis der Samenspende mehr als überfällig.

Als Zusammenschluss von Familien nach Samenspende und als Fachorganisation für die psychosoziale Kinderwunschberatung haben wir, basierend auf unseren langjährigen Erfahrungen, wiederholt auf verschiedene Aspekte hingewiesen, die im Rahmen dieser Gesetzeseinführung berücksichtigt werden müssen, damit die Bedürfnisse aller Beteiligten bestmöglich berücksichtigt werden.

Zwei wesentliche Punkte sind beim jetzigen Stand des Gesetzesentwurfes noch absolut unzureichend gelöst und bedürfen aus unserer Sicht einer dringenden Korrektur:

  1. Kenntnisrecht für alle so gezeugten Kinder!

Die zentrale Dokumentation im Samenspenderregister soll nach dem jetzigen Gesetzesentwurf nur für diejenigen Kinder gelten, die ab Inkrafttreten des Gesetzes – Ende 2018 – gezeugt werden.

Daten aus der Zeit zwischen den Jahren 2007 und 2018 werden bereits durch das Transplantationsgesetz erfasst, und sie sind wenigstens in den Samenbanken mehrere Jahrzehnte aufzubewahren. Die Dokumentationspflicht der Samenbanken wird durch das neue Gesetz sogar noch verlängert. Doch den Kindern, die vor dem 1.8.2007 gezeugt wurden, hilft das überhaupt nicht. Denn auf sie trifft weder das Transplantationsgesetz noch die vorgesehene Übergangsregelung des neuen Gesetzes zu. Sie sind allerdings der Großteil der Menschen, die bisher auf diesem Wege in Deutschland gezeugt wurden. Geschätzt sind dies etwa 100.000 Personen.

Den Samenbanken liegen aber durchaus noch Dokumente von älteren Behandlungen vor und der Gesetzgeber müsste nun dringend etwas für den Datenerhalt tun, um eine unwiederbringliche Datenvernichtung zu stoppen!

Die Überführung aller vorhandenen Altdaten in das zentrale Register wäre ganz im Sinne aller Beteiligten! Ein Kompromiss könnte sein, wenn Samenbanken explizit verpflichtet würden, die noch vorhandenen Altdaten aus der Zeit vor 2007 in ihren eigenen Einrichtungen ebenfalls dauerhaft aufzubewahren.

2. Beratung und Mediation nötig!

Die zentrale Datenregistrierung muss ergänzt werden durch das Angebot einer psychosozialen Vor- und Nachbereitung.

Vor allem braucht es eine Mediation bei der Kontaktaufnahme von den Personen, die mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurden, und den Samenspendern, die die Anfrage möglicherweise Jahrzehnte nach ihrer Spende unvermittelt erreicht. Eine reine Datenverwaltung bei der Behörde des DIMDI und die bloße Aushändigung von Namen und Adressen werden einer potenziell emotionsgeladenen zwischenmenschlichen Dynamik nicht gerecht.

Es ist sinnvoll, solche Kontakte sowohl mit den so gezeugten Menschen und ihrer Familie als auch den ehemaligen Spendern und deren Familie vorzubereiten und zu begleiten. Hierfür bedarf es einer psychosozialen Versorgungsstruktur, die eng mit der zentralen Dokumentationsstelle des DIMDI kooperiert.

Darüber hinaus muss Vorsorge getroffen werden, dass Kinder die Möglichkeit haben, ihre genetischen Halbgeschwister kennenzulernen.

Dr. Petra Thorn, 1. Vorsitzende BKiD, Langener Str. 37, 64546 Mörfelden, 06105 22629, info@bkid.de

Dipl.-Psych. Claudia Brügge, 1. Vorsitzende DI-Netz, Turnerstr. 49, 33602 Bielefeld, 0521 9679103, info@di-netz.de

Letzter Schliff am Samenspenderregister (Gesetzgebung, Teil 15)

Es sind nur noch wenige Schritte bis zur Verabschiedung des Samenspenderregister-Gesetzes.

Ende März wurden in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses noch mehrere Punkte des Gesetzesentwurfes moniert, doch auch die Legislaturperiode naht sich dem Ende. Daher sind wir gespannt, ob es jetzt überhaupt noch Nachbesserungen geben wird.

Aus Sicht von DI-Netz braucht es mindestens noch eine Verbesserung für die Fälle von Zeugungen aus der Zeit vor 2007. Dies hieße, dass die Spenderdaten aus dieser Zeit unter dem Schutz der geplanten BGB-Änderung entweder ebenfalls ins zentrale Register aufgenommen würden oder aber dass sie –  in Gleichbehandlung zu den Fällen, die ab 2007 nach TPG verwahrt würden – 110 Jahre in den Entnahmeeinrichtungen sicher gelagert werden. Letzteres wäre ja wenigstens ein Kompromiss. Andernfalls würde das neue Gesetz überhaupt keine Hilfe für all die betroffenen Menschen anbieten, die heute älter sind als neun Jahre. Dies sind etwa 100.000 Menschen in Deutschland – der Großteil der Betroffenen.

Wir hoffen, dass man noch eine vernünftige Regelung für die sogenannten Altfälle findet, die ja in unserer Lebensrealität nicht wirklich Altfälle sind.

Öffentliche Anhörung zum geplanten Samenspenderregistergesetz im Gesundheitsausschuss (Gesetzgebung, Teil 14)

In der vergangenen Woche (am 29.3.17) gab es im Gesundheitsausschuss des Bundestages eine öffentliche, etwa einstündige Anhörung zum geplanten Samenspenderregister-Gesetz. Als Sachverständige waren achtzehn Verbände und ein Einzelsachverständiger eingeladen, darunter auch unser DI-Netz. Dreizehn Verbände reichten zuvor eine schriftliche Stellungnahme ein.

DI-Netz wurde bei der mündlichen Anhörung durch unser Ehrenmitglied Rechtsanwältin Dr. Helga Müller vertreten. Auch nutzten einige Eltern, teils mit ihren Kindern, die Möglichkeit, die Anhörung auf der Besuchertribüne mitzuverfolgen. Wer sich die Sitzung im Nachgang im Bundestagsfernsehen ansehen möchte, findet sie in der Mediathek des Bundestages als Videomitschnitt. Es gibt auch einen kurzen zusammenfassenden Text der Pressestelle des Bundestages.

Während der Anhörung wurden gut vorbereitete Fragen zu strittigen Aspekten des Gesetzentwurfs gestellt. Die Einschätzung des DI-Netzes wurde zu drei Punkten angefragt: zum Ausschluss der gerichtlichen Feststellung des Samenspenders als juristischer Vater, zu unseren Regelungswünschen hinsichtlich der sogenannten Altfälle vor Inkrafttreten des TPGs und zu der Überlegung, den Samenspender ins Geburtenregister einzutragen.

PROF. HELMS: „…Freistellung des Samenspenders unbedingt erforderlich, damit man endlich einen entspannten und offenen Umgang mit der Samenspende praktizieren kann.“

Viel Raum nahm bei der Anhörung die geplante BGB-Änderung ein, dass nämlich der Samenspender nicht mehr als rechtlicher Vater gerichtlich festgestellt werden kann. Besonders gut hat uns hier die nachdrückliche und pointierte Argumentation von Prof. Tobias Helms gefallen, der klarstellte, dass eine solche Regelung international längst „absoluter Standard“ ist und dass ja auch beim Ausschluss des Samenspenders durchaus noch die freiwillige und einvernehmliche Vaterschaftsanerkennung bzw. eine Erwachsenenadoption möglich wäre.

Helga Müller aus unserem DI-Netz brachte im späteren Verlauf ergänzend an, dass  die DI-Väter durch die neue Regelung eine Stärkung erfahren: „In dem Moment, in dem Samenspender nicht mehr als rechtlicher Vater festgestellt werden können, verliert der DI-Vater im gesellschaftlichen Kontext sein Stigma als ‚halber Vater‘, der jederzeit mit einer Veränderung des rechtlichen Status rechnen muss.(…)

Und Dr. Peet von der Berliner Samenbank schätzte es so ein, dass durch die neue Regelung die „Spendenbereitschaft deutlich zunehmen wird„.

Ingesamt tendierte die Stimmung unter den Sachverständigen wohl dazu, dem Ausschluss der Feststellung des Samenspenders als juristischer Vater eher zuzustimmen, wenngleich es vereinzelte Stimmen gab, die dieser Regelung eher kritisch entgegen sehen oder für Ausnahmen plädierten (Motejl vom Spenderkinder-Verein, Lüblinghoff vom Deutschen Richterbund, Becker vom DAV).

DI-NETZ mahnt Regelung für sogenannte Altfälle an: „Im DI-Netz gibt es sehr viele Kinder, die gerade mal neun Jahre sind, und nicht mehr von dem neuen Gesetz profitieren (…)“

Ein ausgesprochen wichtiges – unserem Verein sehr am Herzen liegendes Anliegen – ist die Frage der sogenannten Altfälle aus der Zeit vor 2007, als das TPG noch nicht in Kraft war. Eine diesbezügliche Regelung ist im jetzigen Entwurf unberücksichtigt.

Neben DI-Netz hatten sich schon einige andere kritisch über die Vernachlässigung dieser Fälle geäußert. Dies sind zum Beispiel der „Spenderkinder“-Verein, die Deutsche Gesellschaft für Kinderwunschberatung BKID, der Deutsche Anwaltsverein DAV, die Berliner Samenbank sowie die GRÜNEN und DIE LINKE.

Während der Anhörung wurden DI-Netz und der Verein „Spenderkinder“ dazu gefragt (siehe Videomitschnitt 14:42 – 14:46 Uhr). Beide Vereine sind sich einig, dass auch ältere Daten, die nicht nach dem TPG oder nach Inkraftreten des neuen Gesetzes erfaßt sind, ebenfalls ins neue Spenderregister überführt werden sollten. Denkbar wäre dies beispielsweise mit Einwilligung des Samenspenders und der Kindsmutter. Oder indem diese Fälle wenigstens mit in die Übergangsregelung §13 einbezogen werden, die vorsieht vorhandene Datensätze aus der Zeit vor Inkraftreten des neuen Gesetzes wenn auch nur in den Entnahmeeinrichtungen 110 Jahre aufzubewahren. Dies wäre eine wirksame gesetzgeberische Maßnahme, um zumindest zu verhindern, dass heute noch vorhandene Daten unwiederbringlich vernichtet werden (So eine Regelung müßte ggfs. ergänzt werden durch eine sanktionsbewehrte Führung von Bestands- bzw. Datenvernichtungsbüchern in den einzelnen Einrichtungen). Christina Motejl vom Spenderkinder-Verein wies darauf hin, dass bei einer Interessenabwägung Kindesinteressen regelmäßig überwiegen. Dass eine entsprechende Interessengewichtung in der gesetzlichen Regelung möglich ist, zeige sich beispielsweise in der jüngsten rückwirkenden Regelung im australischen Bundesstaat Victoria.

Offener Regelungsbedarf

In der Anhörung wurden weitere wichtige Punkte benannt, die mit dem neuen Gesetz erst mal offen bleiben: Der Regelungsbedarf bei Embryonenspende, die Begrenzung der Anzahl der so gezeugten Kinder pro Spender, die Möglichkeit genetische Halbgeschwister kennenzulernen, die Kenntnisrechte der Enkelgeneration, die Meldepflicht der Mutter nach der Geburt  und eine Präzisierung des Beratungsbedarf des gesamten beteiligten Personenkreises, hier vor allem der Beratungs- und Vermittlungsbedarf zum Zeitpunkt der Kontaktanbahnung zwischen Spender und Kind. Beide Personen –  so Hilland vom BRZ – treffen vollkommen unvorbereitet und isoliert aufeinander: „Die Mitteilung durch eine Behörde, das DIMDI, reicht nicht aus. Es braucht flankierende Maßnahmen.“

DI-Netz hatte sich zu den genannten Punkten schon in seiner ersten Stellungnahme gegenüber dem Gesundheitsministerium geäußert und kann hier also den meisten Äußerungen der übrigen Verbänden nur zustimmen.

Auch das Herabsetzen des Mindestalters einer selbständigen Auskunft des Kindes auf 14 Jahre oder eine rechtsfolgenlose Vaterschaftsfeststellung wurden bei der Anhörung zu Recht thematisiert und sollten bei der weiteren Gesetzgebung in Betracht gezogen werden. Weitere grundsätzliche Unklarheiten, wie die Zulässigkeit und die familienrechtliche Einordnung der Samenspende von alleinstehenden und lesbischen Frauen wurden wiederholt genannt, ebenso Regelungslücken der Privaten Samenspende und Spenden aus dem Ausland.

Prioritätensetzung: Wichtiges und Dringliches

Uneinig waren sich die Sachverständigen scheinbar vor allem hinsichtlich der Priorisierung der einzelnen Aspekte. Müssen einzelne Punkte eigentlich schon in der jetzigen Gesetzgebung zwingend verankert werden ( – Ist dies zeitlich noch vor Ende der Legislaturperiode zu schaffen?) oder können sie noch bis zur den nächsten Legislaturperioden warten oder gehen sie dann unter?

So scheinen einige Verbände mit der Begrenzung auf den jetzt vorgesehenen Gesetzgebungsschritt einigermaßen zufrieden, andere sehen im Gesetzesvorhaben nur eine unzureichende, „halbherzige“ „Teillösung“ oder gar „Verschlimmbesserung“. Manche sind pessimistisch, ob es in nächster Zukunft noch mal eine Chance geben wird, die jetzt bewußt offen gelassenen Regelungsbereiche politisch zu klären.

Das DI-Netz will sich zum jetzigen Zeitpunkt, in dieser Etappe ganz auf seine fundamentale Forderung zu den Altfällen konzentrieren. Hier befürchten wir am ehesten, dass ein Aufschieben eine spätere Regelung höchst unwahrscheinlich macht.

Es sind nur noch wenige Sitzungswochen bis zum Ende der Legislaturperiode. Vorrangig ist aus unser Sicht, dass das Gesetz überhaupt noch durchkommt. Es gibt noch Beratungen in den Ausschüssen und zwei Lesungen im Plenum, die gewünschten Veränderungen des Entwurfes bräuchten alle mehr oder weniger Bearbeitungszeit. Je mehr Nachbesserungen schon jetzt eingearbeitet werden können, um so besser. Ansonsten sollte man die wiederholt angesprochenen Aspekte in den weiteren, vielleicht umfangreicheren, abstammungsrechtlichen und fortpflanzungsmedizinischen Regelungen der nächsten Legislaturen zügig erneut aufgreifen.

Schade allerdings, dass über die Idee, einen weisungsunabhängigen Fachbeirat an das Spenderregister anzugliedern, nicht weiter gesprochen wurde. So ein Fachbeirat könnte – analog zum neuen Transplantationsregister – aus Vertretern der unterschiedlichen Verbände und Fachdisziplinen zusammengesetzt sein.  Dieses Gremium könnte einen wichtigen Beitrag dahingehend liefern, dass all die wichtigen, registerbezogenen offenen Punkte im Zuge der laufenden Umsetzung auf der Agenda bleiben anstatt womöglich still und leise unter den Tisch zu fallen.

Samenspenderregistergesetz – doch was ist mit unseren Kindern? (Gesetzgebung, Teil 13)

Kurze Meldung zum weiteren Verlauf der Gesetzgebung zum Spenderregister:

Heute am 8. März ist der Gesetzesentwurf der Bundesregierung zum Samenspenderregister Thema im Gesundheitsausschuss des Bundestages. Für morgen ist die erste Lesung im Bundestagsplenum angesetzt. Es soll noch Anhörungen der Verbände und weiterer Sachverständige geben.

DI-Netz begrüßt grundsätzlich den Gesetzesentwurf der Bundesregierung und freut sich, dass bereits einige Anregungen unseres Vereins aufgegriffen wurden. Doch was die Politik jetzt noch dringlichst angehen sollte, ist der Datenerhalt aus der Zeit vor 2007 – für alle Kinder, die heute älter sind als 10 Jahre.

Wir haben dazu eine Stellungnahme an die Politik geschickt und hoffen, dass sich Bundestagsabgeordnete ein Herz fassen und sich für die Interessen unserer Kinder stark machen!