Kinderwunsch Tage in Berlin

Am 18./19. Februar fand die erste deutsche Kinderwunschmesse in Berlin statt – mit etwa 50 Ausstellern und 70 Vorträgen, zu denen etwa 1500 Besucherinnen und Besucher kamen.  Solche Kinderwunschmessen gibt es bereits seit einigen Jahren in verschiedenen anderen Ländern, wie beispielsweise Großbritannien, Israel, Spanien, Amerika und Australien. Hierzulande berichteten die Medien im Vorfeld sehr kritisch darüber, insbesondere über die starke Präsenz von ausländischen Firmen, die Eizellspende und Leihmutterschaft anbieten. Beides Verfahren, die in Deutschland nicht erlaubt sind, aber im Ausland von Deutschen genutzt werden.

Einige deutsche Aussteller hatten im Vorfeld bereits ihre Teilnahme abgesagt. Geplant war ursprünglich eine deutsche Veranstaltung unter ausländischer Beteiligung, die sich dann aber zu einem Event mit vornehmlich ausländischen Firmen unter deutscher Beteiligung entwickelte. Neben den sehr kommerziell ausgerichteten Firmen gab es allerdings immer noch eine Reihe von gemeinnützigen und Non-Profit-Organisationen, wie beispielsweise Wunschkind e.V., das Regenbogenzentrum Berlin, das Beratungsnetzwerk BKiD, der Klinefelter-Verein und auch unser DI-Netz. Es war eine gute Idee, den Informationsstand von BKiD gleich im Eingangsbereich zu platzieren, so dass hier alle Paare gleich zu Anfang und beim Hinausgehen ein paar unabhängige und neutrale Beratungsfachkräfte ansprechen konnten.

Drei deutsche Samenbanken waren ebenfalls mit einem jeweils eigenen Informationsstand vertreten: die „Berliner Samenbank“ (von Dr. Peet) , die „Cryobank München“ (von Dr. Bleichrodt) und die „Samenbank Berlin“ (von Dr. Andreeßen). Diese niedrigschwellige Möglichkeit, das Angebot deutscher Samenbanken kennenzulernen und ihre jeweiligen Konditionen in Erfahrung zu bringen, nutzten eine Menge BesucherInnen. Unserem Eindruck nach besonders lesbische Paare. Viele Eltern aus unserem DI-Netzwerk hätten sich damals zu eigenen Behandlungszeiten wohl so eine Möglichkeit der unverbindlichen Kontaktaufnahme zu Reproduktionsmedizinern und Samenbanken gewünscht. Schade, dass bei der Messe nicht mehr deutsche Zentren verteten waren.

DI-Netz selbst hat sich mit einem großen Informationsstand gezeigt. Und unser Stand war ziemlich gut besucht. Für uns war es eine tolle Erfahrung, mit so viel verschiedenen Menschen ins Gespräch zu kommen. Es gab lockere Plaudereien, ernstere Gespräche und durchaus auch einige Kontroversen – weniger mit Messebesuchern, vor allem diskutierten wir mit anderen Ausstellern, die beispielsweise anonyme Gametenspenden anbieten. Wir von DI-Netz nehmen da kein Blatt vor den Mund.

Doch selbst wenn die Messe von ausländischen Firmen und bizarren Werbestrategien dominiert war und dies mitunter ein beklemmender Anblick war, konnte man auf der anderen Seite doch die offene und enttabuisierende Atmosphäre der Messe genießen. Das DI-Netz hatte an seinem Stand natürlich nichts zu verkaufen, wir verfolgen keine Geschäftsinteressen. Wir konnten aber reichlich Information weitergeben, zum Beispiel was man bei der Entscheidung zur Spendersamenbehandlung bedenken sollte. Wir konnten frei davon erzählen, wie es uns als Familien ergeht – den Eltern wie den Kindern. Und wie wir einen offenen Umgang mit dem Thema in unseren Familien gestalten. Wir informierten viel, andersherum wurden uns selbst auch ein paar informative Neuigkeiten zugetragen. Es kamen sogar einige DI-Familien mit ihren Kindern vorbei und erzählten von ihrer Situation. Da gab es zum Teil sehr schöne persönliche Begegnungen.

Einen ganz besonders herzlichen Dank an dieser Stelle ausdrücklich an mehrere Mitglieder der Berliner Regionalgruppe des DI-Netzes, die unseren Informationsstand zwei Tage lang geduldig und wunderbar betreuten und für einen reibungslosen Ablauf sorgten.

 

Neben den Informationsständen gab es jede Menge Vorträge. Auch DI-Netz nutzte  die Gelegenheit. So gab es von unserer Seite mehrere Beiträge: Wir referierten zur Psychologie der Familiengründung mit Samenspende und über die Themen und Herausforderungen, die mit einer Samenspende auf eine Familie zukommen. Wir sprachen über Fragen der Aufklärung und den offenen Umgang in unseren Familien. Ein anderer Vortrag befasste sich mit dem Sprachgebrauch im politisch-öffentlichen Diskurs zur Samenspende. Jeder der vier Vorträge war eine weitere gute Gelegenheit, mit dem Messepublikum ins Gespräch zu kommen.

Die Presseresonanz auf die Kinderwunsch Tage war eher gemischt bis fundamentalkritisch negativ. Unserem Eindruck nach schien bei manchen Journalisten leider die Suche nach einem Skandal oder den Skurilitäten des Kinderwunschmarktes die Recherche zu steuern. Dafür bieten sich das neuartige Format der Veranstaltung und die in Deutschland verbotenen Methoden ja auch an. Elmar Breitbach hat übrigens auf der Webseite www.wunschkinder.net zwei wunderbare Kommentare zu den tendenziösen Presseartikeln der FAZ-Autorin Wibke Becker geschrieben.

Immer wieder wird ein Muster deutlich: Es macht offenbar einen großen Unterschied, ob der Fokus eher auf der Ebene einer allgemeinen, abstrakt gehaltenen gesellschaftlichen Wertedebatte liegt oder ob man im eigenen Verwandten-, Bekannten-, Freundes- oder Kollegenkreis tatsächlich ungewollt Kinderlose oder Familien nach assistierter Reproduktion persönlich kennt. In der Lebensrealität stellen sich die Themen nämlich oft ganz anders dar als in den Medien. So werden einerseits von den Kritikern regelmäßig alle reproduktionsmedizinischen Verfahren von IVF über Samenspende bis hin zur Leihmutterschaft in einen Topf geworfen, um dann –  wie Patrick Schwarz dies in der „ZEIT“ so schön kommentierte –  in moralischer Selbsterhöhung allzu bereitwillig mit „Spott und Empörung zu reagieren“. Andererseits stimmen in der Praxis Kinderwunschpatienten längst mit den Füßen ab, reisen ins Ausland, wo sie sich Behandlungen verschaffen, die sie in Deutschland nicht bekommen können und leben ihr mehr oder weniger anerkanntes Familienleben.

Der Siegeszug der Reproduktionsmedizin, inklusive der assistierten Reproduktion mit den Keimzellen Dritter, ist nicht mehr aufzuhalten. Diese erste Kinderwunschmesse hier in Deutschland wird nicht die letzte gewesen sein, in den nächsten Jahren werden weitere folgen. Wenn aber der Kinderwunsch ohnehin seinen Weg findet, ja das Leben seinen Weg findet wie eh und je, dann sollte Deutschland vielleicht besser darüber nachdenken, ob und wie sich bestimmte Verfahren in Deutschland so legalisieren und regulieren lassen (vorneweg die Eizellspende), dass eine würdige Praxis ohne Ausbeutung von SpenderInnen und ohne Belastung der Kinder entsteht. Dann würden Paare nicht ins Ausland getrieben, wo ihnen anonyme Eizellspenden oder anonyme Samenspenden angeboten werden. Über die ethischen und psychosozialen Implikationen der einzelnen Verfahren muss in unserem Land mehr und differenzierter diskutiert werden, und zwar ohne dass man sich von einem empathischen Verständnis für die konkrete Lebensrealität der davon Betroffenen verabschiedet. Dies hat auch Peter Dabrock, der Vorsitzende des Deutschen Ethikrates, in einem Interview mit Radio Brandenburg sehr schön dargelegt.