Endlich geschafft: Bundestag beschließt Samenspenderregistergesetz (Gesetzgebung, Teil 18)

Der Deutsche Bundestag hat in seiner 234. Sitzung am 18.5.17 endlich  das neue Samenspenderregistergesetz beschlossen!

Für die Einrichtung eines Spenderregisters haben sich DI-Netz und einige andere Organisationen seit Jahren eingesetzt. Das Gesetz wird Mitte 2018 in Kraft treten und sieht vor, dass beim Deutschen Institut für Medizinische Dokumentation und Information (DIMDI) in Köln ein bundesweites Samenspenderregister eingerichtet wird. Das Register soll sicherstellen, dass Menschen, die mit Hilfe einer Spendersamenbehandlung gezeugt worden sind, ihr Recht auf Kenntnis der Abstammung verwirklichen können und Auskunft über den Spender erhalten, wenn sie dies wünschen.

Das neue Gesetz regelt die nötigen Aufklärungs-, Dokumentations- und Meldepflichten.

Das zentrale Register gibt Kindern Auskunft über den Samenspender

Wer vermutet, dass er mit einer Samenspende gezeugt wurde, kann künftig ab dem 16. Geburtstag Auskunft beim Samenspenderregister beantragen. Für jüngere Kinder können die Eltern als gesetzliche Vertreter die Auskunft für das Kind einholen. In das Samenspenderregister werden personenbezogene Daten von Spendern und Empfängerinnen einer Samenspende aufgenommen (Name, Geburtstag, Geburtsort, Staatsangehörigkeit, Anschrift). Auch kann der Spender freiwillig ergänzende Angaben über seine Person für das Kind hinterlassen (z.B. Aussehen, Bildungsstand, Beweggründe für die Spende). Die Angaben des Spenders werden 110 Jahre lang gespeichert. Der Samenspender wird vier Wochen vor Auskunftserteilung über die Auskunftsanfrage informiert.

Sogenannte Altfälle

Darüber hinaus müssen nun alle Spenderdaten aus der Zeit vor Inkrafttreten des Gesetzes   wenn auch nicht im Register so doch bei den Ärzten 110 Jahre aufbewahrt werden. Dass damit auch die Daten vor 2008 gemeint sein werden, hat sich im Gesetzgebungsverfahren glücklicherweise noch in letzter Minute geklärt.

Neu ist für die Altfälle des Gesetzes erstens, dass die Aufbewahrungsdauer der seit 2008 (=Einführung des TPGs) erhobenen Daten von 30 auf 110  Jahre verlängert wird. Neu ist zweitens, dass Daten aus der Zeit vor 2008 nun endlich eine gesetzlich definierte Dauer von 110 Jahren in den Arztpraxen gespeichert werden müssen. Dies ist immerhin 100 Jahre länger als die von einigen Reproduktionsmedizinern veranschlagte Dokumentationsdauer gewöhnlicher Medizinakten von 10 Jahren.

Diese sogenannte Übergangsregelung des neuen Gesetzes bewirkt zwar die Sicherstellung einer langfristigen Dokumentation, eine leichte Auskunftserteilung ermöglicht dies aber noch nicht unbedingt. Es kann im Zweifelsfall sein, dass der Auskunftsanspruch weiterhin gerichtlich geltend gemacht werden muss.

Aufklärungspflichten

Sowohl der Spender als auch die Empfängerin müssen im Vorfeld über die spätere Auskunftserteilung umfassend aufgeklärt und informiert werden. Zur Aufklärungspflicht der Ärzte gehört auch, die Empfängerin der Samenspende und den Samenspender über die hohe Bedeutung der Kenntnis der Abstammung aufzuklären und die Kinderwunschpatientin auf eine frühzeitige und altersangemessene Aufklärung des Kindes hinzuweisen.

Samenspender im medizinischen System = kein rechtlicher Vater

Die gerichtliche Feststellung des Samenspenders als rechtlicher Vater wird durch eine ergänzende Regelung im Bürgerlichen Gesetzbuch ausgeschlossen. Dadurch entfallen Ansprüche auf Sorgerecht, Unterhalt oder ein Erbe gegenüber den Samenspendern.

Diese Regelung ist ein ganz entscheidender Schritt, da Samenspender in Deutschland bisher theoretisch ein wenn auch geringes Risiko auf sich nahmen, gerichtlich als rechtlicher Vater festgestellt werden zu können. Mit der BGB-Änderung ist die gerichtliche Feststellung der rechtlichen Vaterschaft des Samenspenders ausgeschlossen.

Die Reden der Abgeordneten

Über das Gesetz wurde fraktionsweise abgestimmt: Die Koalitionsfraktionen stimmten für das Gesetz, die Opposition Grüne und Linke enthielt sich.

Die Reden der zweiten und dritten Lesung wurden wie schon bei der ersten Beratung (nur) zu Protokoll (S. 252-256) gegeben. Dietrich Monstadt (CDU) bezeichnete das Gesetz „als wichtigen und richtigen Schritt“, Georg Kippels (CDU) wies darauf hin, dass eine „generelle Abstammungsdiskussion“ später Thema werden könne, Mechthild Rawert (SPD) räumte ein, dass das Gesetz nicht „das Ende der Fahnenstange“ sei – denn das „Themenfeld ist groß“. Katja Keul (GRÜNE) dagegen kritisierte, man habe die „familien- und verfassungsrechtlichen Implikationen (…) völlig verkannt“ und es sich „zu einfach gemacht“. Kathrin Vogler (LINKE)  bezeichnete den Gesetzentwurf sogar als „schlampig“, denn er enthalte „handwerkliche Mängel“.

In derselben Plenarsitzung wurde ein alternativer Gesetzesantrag der GRÜNEN zur „Elternschaftsvereinbarung bei Samenspende“ abgelehnt.

Zukunft: Noch offene Regelungsbereiche angehen!

Die konzeptionelle Arbeit am Spenderregister ist mit dem neuen Gesetz noch nicht erledigt. Aus Sicht von DI-Netz werden Politik und Ministerien nach der nächsten Bundestagswahl offene Punkte weiter klären müssen:

  • Die näheren Ausführungsbestimmungen des neuen Gesetzes werden hochrelevant für die Praxis sein. Wie genau werden die Ärzte ihre Patientinnen und die Samenspender künftig hinsichtlich der Aufklärung des Kindes und des Rechtes auf Kennntis der Abstammung beraten? Es sollten Mindeststandards der ärztlichen Aufklärung definiert werden und Informationsmaterial bereitgestellt werden. Der Samenspender sollte darin angeleitet werden, bei seinen Angaben für das Kind aussagekräftige und angemessene Informationen (Brief für das Kind) zur Verfügung zu stellen. Und: Wie kann später der Kontakt zwischen Kind und Spender vermittelt werden? Eine bloße Mitteilung der Anschrift des Spenders durch eine  Behörde reicht nicht aus – Mediationsangebote durch psychosoziale Fachkräfte sollten im Auskunftsverfahren fest installiert sein.

Auch wurden im Zuge des Gesetzgebungsverfahren von verschiedenen Seiten weitergehende Regelungen mehrerer Punkte und spätere Nachbesserungen gefordert. Dies betrifft zum einen die Funktionen, die das Samenspenderregister übernehmen soll, zum anderen eine umfassende Regulierung der Samenspende sowie Regelung des Familienrechts und der Fortpflanzungsmedizin insgesamt.

  • Das Spenderregister sollte Menschen, die mit Hilfe einer Samenspende gezeugt wurden, die Suche nach genetischen Halbgeschwistern erleichtern.
  • Das Spenderregister sollte sich nicht nur auf Daten der Samenspende beschränken, sondern auch für die in Deutschland ebenfalls praktizierte Embryonenspende zuständig sein.
  • Das Spenderregister sollte dazu genutzt werden, die Begrenzung der Anzahl der so gezeugten Kinder pro Samenspender festzulegen und zu überprüfen.
  • Das Spenderregister sollte auch für die Enkelgeneration Informationen bereitstellen.
  • Es sollte geprüft werden, ob  das Mindestalter für eine eigenständige Auskunftsanfrage des Kindes von 16 auf 14 Jahre herabgesetzt werden kann.
  • Kind und Samenspender sollte ein gentechnischer Nachweis ermöglicht werden, ob das Kind tatsächlich vom genannten Samenspender abstammt.
  • Es sollte geprüft werden, inwiefern Auskunftsinteressen der Samenspender erfüllt werden können (wie z.B. zur Anzahl und Alter der so gezeugten Kinder)
  • Dem Spenderregister sollte ein weisungsunabhängiger, interdisziplinärer Fachbeirat angegliedert werden (ähnlich dem Transplantationsregister), der das Register fachlich und aus psychosozialer Sicht berät.
  • Das Spenderregister sollte unter Wahrung des Datenschutzes Anknüpfungsort für Forschung im Feld sein. Es mangelt an umfassenden Längsschnittstudien zur Situation der Familien nach Samenspende.

Des weiteren:

  • Die Zahl der Samenbanken/Entnahmeeinrichtungen für Fremdsamenspende in Deutschland, sowie die Zahl der Behandlungen und die Zahl der so gezeugten Kinder sollte präzise zentral erfaßt und der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden.
  • Für einige Regelungsbereiche gibt es (unterschiedliche) berufsrechtliche Regelungen der Länder, es fehlen allerdings allgemeinverbindliche gesetzliche Vorschriften z.B. hinsichtlich der Zulässigkeit der Samenspende für lesbische und alleinstehende Frauen, ein gesetzliches Verbot von Samengemischen sowie Sanktionsbewehrungen.
  • Umfassende familienrechtliche Regelungen für Familien von lesbischen und unverheirateten Paaren, sowie alleinstehenden Frauen, die eine Samenspende nutzen. Darüber hinaus fehlen Regelungen für die sogenannte Private Samenspende und für Co-Parenting-Arrangements. Im Sommer wird dazu noch der Bericht des Arbeitskreises „Abstammung“ aus dem Bundesjustizministerium erwartet.
  • Es braucht ein explizites Verbot der Nutzung und des Imports anonymer Samenspenden aus dem Ausland, auch für die Private Samenspende, auch unter Sanktionsbewehrung.
  • Bund und Länder sollten psychosoziale Unterstützungsangebote für betroffene Familien wie zum Beispiel das DI-Netz finanziell fördern. Wir tragen dazu bei, die allgemein noch geringe Aufklärungsquote zu steigern: Die Bereitschaft und die Kompetenz von Eltern, mit ihren Kindern offen über die Tatsache der Samenspende zu sprechen, ist nicht immer gegeben und muss im Interesse der Kinder zunehmen. Dazu tragen Organisationen wie DI-Netz erheblich bei.