Donor Conception Network feiert 25-jähriges Jubiläum

Das Donor Conception Network (DCN) ist unsere englische Partnerorganisation und mit über zweitausend Mitgliederfamilien das  größte Familiennetzwerk im Bereich der assistierten Reproduktion weltweit. In diesem Jahr feiert das DCN sein 25- jähriges  Jubiläum, und im April gab es zwei große Jubiläumsveranstaltungen, zu denen DI-Netz-Vorsitzende Claudia Brügge mit ihrer Familie beide Male angereist ist.

„Mein Mann, unsere Tochter und ich sind der Einladung zu den beiden Jubiläumsfeiern sehr gern gefolgt. Immerhin hat unsere Partnerorganisation für das deutsche DI-Netz eine wichtige Vorreiterfunktion, und es war schön, unseren englischen Freunden zu ihrer Erfolgsgeschichte persönlich gratulieren zu können.

Das erste Event fand in ausgesprochen würdiger und schöner Umgebung direkt im Westminster in London statt. Es gab einen Empfang im House of Lords, dem britischen Oberhaus, zu dem sehr viele Unterstützer und Kooperationspartner zum Teil extra aus dem Ausland angereist sind. Vor den Sicherheitskontrollen gab es bereits ein buntes und herzliches Hallo, und ich habe mich sehr gefreut, dort schon einige Freunde und Unterstützer des deutschen DI-Netzes wieder zu treffen: zum Beispiel unser Ehrenmitglied aus Neusseland Ken Daniels und seine Frau, ebenfalls DI-Netz Ehrenmitglied Marilyn Crawshaw aus York (GB) und Astrid Indekeu aus Belgien. Der Empfang selbst fand in einem Saal im hinteren Teil des Westminster- Gebäudes statt. Und weil das Wetter gut war, war auch die an den Saal angrenzende Terrasse geöffnet. Von dort konnten die Gäste einen wunderschönen Ausblick auf die abendliche Themse genießen.  In lockerer Atmosphäre bei Sekt und Canapès gab es viel Gelegenheit, mit einer ganzen Reihe interessanter Menschen in Kontakt zu kommen – mit den Mitarbeiter_Innen des DCN, sowie neuen und alten Mitgliedern des Netzwerkes, Politiker_Innen, Berater_Innen, Jurist_Innen und Klinikvertreter_Innen.  – So verging der Abend wie im Flug.

Zu Ehren des DCN wurden auch mehrere Festreden gehalten:

Baroness Hayter of Kentish Town, Prof. Ken Daniels und Dr. Marilyn Crawshaw lobten die große Bedeutung, die das Donor Conception Network im eigenen Land aber auch darüber hinaus international hat. Sie würdigten die Bandbreite an Unterstützung, die das Netzwerk für Betroffene bietet. Vom DCN wurden eine Vielzahl wichtiger Publikationen herausgebracht , die Familien auf ihrem Weg unterstützen. Zum Beispiel die Bände von „Telling and Talking“ und „Our Story“ (bald in neuem Design). Auch die Webseite (schon in neuem Design) enthält sehr viel Content und Informationen. Das Wichtigste: im DCN gibt es immer ein offenes Ohr. Keine Organisation hat so sehr dazu beigetragen, dass Familien nach Gametenspende heute offen darüber sprechen können, wie sie entstanden sind, und wie sie dies erleben.

Eine weitere bewegende Rede wurde von einer Mutter aus dem Netzwerk gehalten. Sie sprach darüber, wie wichtig die Begleitung durch das Netzwerk für ihre Familie bisher war. Sie fände es sehr hilfreich, dass es im Netzwerk bereits viel Erfahrung gibt und dass hier andere Personen schon vor ihr all die Dinge durchgedacht haben, die auf ihre eigene Familie zukommen. Dies habe ihr bisher immer sehr gut getan, insbesondere wenn man bedenke, dass sobald das ersehnte Kind endlich da ist, Eltern dazu tendieren, die Tatsache der besonderen Zeugung schnell ad acta legen zu wollen. Es ist gut, dass das DCN dann an die Notwendigkeit des Dialogs erinnert, auf mögliche Herausforderungen hinweist und die Familie in den verschiedenen Phasen begleitet. – Ziemlich beeindruckend war auch die Rede des 15- jährigen Aled, der über seine Einstellung hinsichtlich der Embryonenspende sprach, durch die er gezeugt worden ist. Er erzählte ziemlich entspannt davon und gab mit einigem Humor Kommentare seiner Mitschüler zum Besten. Zum Schluss erinnerte Nina Barnsley, die Leiterin des Netzwerkes, noch daran, dass das Netzwerk zwar viel leistet, aber selbst auch finanzielle Unterstützung braucht, weil sich das Netzwerk, inklusive seines Büros mit mehreren Mitarbeiterinnen, ausschließlich aus eigenen Mitteln finanziert. Das DCN hat anlässlich seines Jubiläums einen Spendenaufruf gestartet, der dem Netzwerk bis zum Jahresende 25.000 Pfund einbringen soll.Zwei Wochen nach dem Event im House of Lords gab es dann bereits die nächste Jubiläumsveranstaltung: die diesjährige Spring Conference des Donor Conception Networks. Im Anmeldemonat März war diese Tagung innerhalb von 48 Stunden mit 230 Teilnehmenden bereits komplett ausgebucht, Anmeldungen von über 100 weiteren Personen konnten leider nicht mehr entgegengenommen werden.

Die Jahreskonferenzen finden in einer Schule im Norden Londons statt. Als wir ankamen, gab es in der Eingangshalle bereits ein großes Gewusel an Menschen, viele von ihnen im lebendigen Gespräch miteinander. Das war sehr beeindruckend, auch weil ich mir so ein großes Treffen für Deutschland noch nicht vorstellen kann! Beeindruckend über den Tag war dann immer wieder auch die offensichtlich sehr professionelle Organisation der Tagung.

Eltern reisen zusammen mit ihren Kindern zu den Konferenzen des Donor Conception Networks an – sie können als ganze Familie dabei sein. Für die Kids heuert das DCN an diesem Tag eine professionelle Organisation an, die in größerem Umfang Kinderbetreuung bereitstellt, so dass es diesmal für über 100 Kinder überall im Haus verschiedene Räume gab zum Spielen, Basteln und Toben. Für die größeren Kids gab es auch einen Workshop von Sharon Pettle. Und außerdem sorgten die über zwanzig Betreuungsfachkräfte für die Bedürfnisse der Kleinen und Großen und bespaßten sie mit viel Elan. Einige Kinder – so berichteten die Betreuerinnen – träfen hier jedes Jahr ihre lieb gewonnenen Freunde aus der Community wieder.

Für die Erwachsenen gab es den ganzen Tag lang mehrere Vorträge in der großen Aula und unterschiedliche Workshops in den Klassenräumen. Nina Barnsley und Claire Beasley führten durch das Programm.

Zu Beginn ist der Tagungsablauf über die vielen Jahre immer gleich: Nach der Begrüßung bekommt das Publikum im Saal Gelegenheit, sich mit den eigenen Sitznachbarn etwa zehn Minuten darüber auszutauschen, warum man hier ist. Bei 230 Menschen im Saal ein einziges summendes und surrendes Stimmengewirr. Telling und Talking pur. Ein ins Gesprächkom-men, das auch den ganzen Tag so weiter geht, in den Pausen, in der Mittagspause, in den Workshops, weil die Bereitschaft hier spürbar groß ist, sich untereinander über eigene  Erfahrungen auszutauschen. Ganz offensichtlich andere Zeiten als vor 25 Jahren, als auch in England über Gametenspende tunlichst geschwiegen wurde. Das ist sicher die größte Leistung des Donor Conception Network: das allgemeine Schweigen und Verstummen der Vergangenheit aufzubrechen und das Gespräch zu suchen.

Ken Daniels hielt an diesem Konferenztag den Hauptvortrag.  Es ist sein Lebenswerk, dass er sich in den letzten 40 Jahren wissenschaftlicher Forschungsarbeit mit den Perspektiven aller Beteiligten intensiv befaßt hat: den Perspektiven der Eltern, der Ärzte, der Kinder, der Spender, der Politiker, der Berater und der Öffentlichkeit. Er sprach übrigens auch von den  ersten Vorbereitungsseminaren für Wunscheltern, die er in früheren Jahren mit Petra Thorn in Deutschland abgehalten hat – einige von uns kennen ihn daher – und dass ihm diese Erfahrung viel bedeutet.

Ken sprach über Grundprinzipien, wie Familien gut funktionieren und dass vor allem eine gute Kommunkation und gute Bindung unerläßlich sind. Er erläuterte, wie sehr sich zwei verschiedene Kulturen ausmachen lassen: eine alte Ära der Geheimhaltung in früheren Jahren ( in der man sich gegenseitig Schweigegebote auferlegt hat) und eine neue der Offenheit und des Dialogs (in der manche Dinge gelegentlich sehr unverblümt zur Sprache kommen). Auch stellte Ken Ergebnisse einer neueren Studie vor, die er gerade in Neuseeland durchgeführt hat. Er befragte 21 donogen gezeugte Erwachsene im Alter von 19 bis 46 Jahren nach ihren Einstellungen zur donogenen Zeugung, zu ihrer Sicht auf sich selbst und ihrer Familie und zu ihrem Spender. Einige Ergebnisse waren:

  • Es sind die Eltern, die die Familienatmosphäre rund um das Thema Gametenspende prägen. Erleben die Eltern Stolz und Selbstvertrauen hinsichtlich der Spende oder aber Scham und Schuld, wirkt sich dies auch auf die Selbstwahrnehmung ihrer Kinder aus.
  • Die befragten Personen betonten, wie wichtig es ihnen ist, über die besondere Zeugung und ihre Ansichten sprechen zu können: „Wenn ich nicht darüber sprechen darf, gibt es mir das Gefühl, dass ein Teil von mir nicht existiert.“
  • Die befragten Personen zeigten oft mehr oder weniger großes Interesse an dem Spender, was sich über die Zeit verändert. Als Vater sahen sie ihn nicht, da ihnen die genetische Verwandtschaft dafür nicht ausreichte. Sie betonten, dass sie bereits eine Familie haben.
  • Die späte Aufklärung über die Gametenspende kann zu Irritationen und verstörenden Erfahrungen führen, auch zu Spannungen in den familären Beziehungen. Allerdings fand nach einer Zeit der Krise meist wieder eine Annäherung oder engerer Kontakt zu Eltern und Familie statt.

Nach dem Vortrag von Ken folgte ein Panel von drei donogen gezeugten Erwachsenen im Alter von 26, 37 und 54 Jahren, die also in unterschiedlichen Zeiten/Kulturen groß geworden sind. Sie beantworteten Fragen, in welcher Hinsicht sich die donogene Zeugung auf ihr Leben auswirkt, insbesondere auf eigene Elternschaft, und wie sie über Halbgeschwister und den Spender denken. Die zwei älteren Personen kennen ihren Spender. In einem Fall ist es der Arzt Berthold Wiesner und sie hat sehr zügig 25 Halbgeschwister kennenlernen können. Zu ihnen Kontakt zu haben, habe ihr sehr gut getan. Inzwischen zeichnen sich fast 200 mögliche Halbgeschwister ab und sie fühlt sich durch den Kontakt eher überfordert. Die zweite hat über einen DNA-Test einen Cousin gefunden, weiss nun auch wer der Spender ist und hat auch ein Foto von ihm. Der Spender lehnt aber den Kontakt zu ihr ab. Der dritte, jüngste Teilnehmer findet die Idee, dass es Halbgeschwister gibt, zwar interessant, aber er unternehme keine Schritte, um sie oder den Spender kennenzulernen. Er wurde anders als die anderen beiden früh aufgeklärt und hat eine enge Beziehung zu seinen Eltern und zu seinem Bruder (der von einem anderen Spender abstammt). Diese vier Personen seien für ihn seine Familie, in der niemand fehle.

Am Nachmittag gab es noch verschiedene Workshops und in der Aula eine Veranstaltung mit einer Solo-Mum und ihrer 17jährigen Tochter, die Fragen aus dem Publikum beantworteten.

Für meine Familie gab es auch auf dieser Konferenz wieder viele schöne Begegnungen. Mit einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin aus Cambridge Yvonne Frankfurth, die gerade zur Eizellspende forscht, hatte ich mich schon vorher verabredet. Mit ihr konnte ich mich den ganzen Tag wunderbar über unsere Eindrücke und die kulturellen Unterschiede zwischen England und Deutschland austauschen. Yvonnes Herzlichkeit machte es meiner ganzen Familie leicht, uns auf der Konferenz und in London zu bewegen. Neben ihr traf ich auch verschiedene andere deutsche Frauen, die derzeit mit ihren Kindern in England leben und mir davon erzählten. Sehr erfrischend war es auch, Vince Londini aus Kanada kennenzulernen, der in Ontario gerade mit viel Engagement ein Unterstützungsnetzwerk für DC-Familien mit aufbaut.

Am Tag nach der Konferenz ging es gleich weiter. Wir hatten die wunderbare Gelegenheit, uns dann mit Nina, Olivia und ihrem Team im Büro des DCN zu treffen. Wir wurden erneut warmherzig empfangen! Alle haben sich Zeit genommen, den ganzen Morgen lang über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Netzwerke zu sprechen. Wir  diskutierten über die Profile und Entwicklungen, die Mitglieder- und Organisationsstrukturen beider Vereine, über Erfolge und Probleme, denen wir begegnen. So viel Aufmerksamkeit und Offenheit, noch dazu nach einem anstrengenden Konferenztag – das fand ich schon sehr, sehr großzügig!

Eins wurde durchgängig deutlich: Großbritannien ist Deutschland in Sachen Gametenspende, ihrer sozialen Akzeptanz und in der Professionalisierung der Unterstützungsorganisation der Familien wirklich um 20 Jahre voraus. Das ermöglicht aber auch, ein paar gute Ideen und einigen Schwung für die Zukunft des DI-Netzes mit nach Deutschland zurückzubringen.

Wir danken dem DCN noch einmal, für seine großen Leistungen und Errungenschaften in den letzten Jahren und dass wir während unseres Aufenthalts in London davon einen so prächtigen Eindruck bekommen konnten.“